Am Anfang war der Seitensprung
sich ziehen, da war ich sicher.
Die Jungs in der WG hörten nicht auf, mich zu verarschen. Nicki brachte es dann aber doch fertig, mir eine Dose Schönheitspulver für seinen neuen Schwarm, eine junge Schauspielerin, abzuschwatzen.
»Ich zahl sie später«, sagte er und weg war er.
Nickis Zahlungsmoral ließ grundsätzlich zu wünschen übrig, er hatte bei allen Schulden.
Hartmann aß mit affektiert abgespreiztem Finger ein Löffelchen »Beautyline« und verzog das Gesicht in gespielter Verzückung. »Mmh, einfach köstlich«, flötete er und warf Rilke die Dose zu.
Ich hatte beschlossen, mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, und ignorierte ihre Späße geflissentlich.
Mit meinem Auto voller »Beautyline«-Dosen machte ich mich auf den Weg. Als erstes wollte ich eine ehemalige Kollegin aufsuchen, die ich aus meiner Zeit als Empfangs-dame bei einer großen Versicherung kannte. Ich hatte dort angefangen zu arbeiten, als Lucy in die Schule kam und wieder aufgehört, als ich schwanger mit Jonas war.
»Mensch, Anna, altes Haus, wie geht’s dir?« begrüßte mich Bärbel. Sie war eine der Vorstandssekretärinnen, eine aparte Anfangvierzigerin, die dem Beruf zuliebe auf Familie verzichtet hatte.
»Wie viele Kinder hast du denn jetzt? Erzähl doch mal, was machst du so?«
Ich schluckte und speiste sie mit ein paar Floskeln ab:
»Alles in Ordnung, die Kinder werden groß, man sucht sich neue Aufgaben.« Der eigentliche Grund meines Besuches war mir wichtig.
»Beautyline?« Bärbel verzog leicht die Lippen. »Nein, noch nie gehört, aber mit dieser Art Wundermittelchen wird man doch bloß übers Ohr gehauen.«
Ich schilderte ihr die erstaunliche Wirkung des Pulvers, aber sie schien nicht überzeugt.
»Schon gut, ich nehme eine«, unterbrach sie schließlich meinen Redefluß.
Sie legte einen Hunderter auf den Tisch und würdigte die Dose keines Blickes. Das Geld, das ich ihr zurückgeben wollte, schob sie mir diskret wieder hin, so wie man einem Hausierer ein Almosen zusteckt. Ich hätte in den Erdboden versinken können.
Als nächstes wollte ich zu Sabine und Kathrin. Die zwei Fitness-Fanatikerinnen würden mein Produkt zu schätzen wissen, davon war ich überzeugt.
Sabine war, wie sich herausstellte, gerade auf Ibiza.
Aber Kathrin, die für ihr Examen büffelte, freute sich sehr, mich zu sehen.
»Hey, wow, du siehst einfach super aus! Ich wette, der schwarze Hosenanzug ist dir inzwischen zwei Nummern zu groß.«
Ich nickte lachend. »Ihr hattet wirklich recht. Bei mir hat sich alles verändert. Das Gewicht, der Job und der Mann.«
Ich erzählte ihr, was alles so passiert war, dann zog ich eine »Beautyline«-Dose raus.
»Klar, das kenne ich«, meinte Kathrin, »ist ein Superzeug. Das würde ich dir kistenweise abnehmen, aber mein Vater bringt es mir immer aus Amerika mit.«
»Stell dir vor, ich arbeite jetzt für die Firma, die den Exklusiwertrieb für Deutschland hat«, prahlte ich, »ich kann dir einen sehr günstigen Preis machen.«
»Ist echt lieb von dir, aber weißt du, mein Daddy schenkt sie mir, das ist noch günstiger!«
Wir lachten beide, wobei mein Lachen etwas gezwungen ausfiel.
Mein dritter Besuch führte mich zu Wiltrud. Die war so scharf auf Neues, daß ich ihr vielleicht eine Dose aufschwatzen könnte. Allmählich hatte ich dringend ein Erfolgserlebnis nötig.
»Was willst du für die Dose? Sechzig Mark?« Wiltrud brach in kreischendes Gelächter aus.
»Das ist ein fairer Preis, in Amerika ist das Mittel fast doppelt so teuer«, gab ich beleidigt zurück.
»Ach ja?«
Wiltrud stand auf und ging ins Nebenzimmer. Mit zwei Dosen im Arm kam sie wieder zurück und stellte sie vor mir auf.
»So, das ist das amerikanische Original. Kostenpunkt: Beim derzeitigen Wechselkurs knapp vierzig Mark. Und das hier ist eine deutsche Version, die du seit ein paar Monaten in jedem Reformhaus unter dem Namen
»Beautyline« kaufen kannst. Da haben sie einen der Inhaltsstoffe rausgelassen, weil dadurch die Lizenz billiger war. Preis: Vierundzwanzig Mark fünfzig. Und jetzt nenn mir einen Grund, warum ich dir sechzig Mark für deine Dose hinblättern soll.«
Befriedigt lehnte sie sich zurück und verschränkte die Arme.
»Woher weißt du das alles?« fragte ich verblüfft.
»Erinnerst du dich an Horst? Das ist der Mann, mit dem ich verheiratet bin. Ich sehe ihn ziemlich selten, deshalb vergesse ich es manchmal selbst. Jedenfalls …«
»… ach, richtig, der ist ja Vertreter von diesem
Weitere Kostenlose Bücher