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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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barocker Spiegel.
    »Das wären doch die angemessenen Räumlichkeiten für die Chaos-Community«, grinste ich Rilke an, der mir gefolgt war. »Hier wäre wenigstens genug Platz für ein paar zusätzliche Wäscheleinen!«
    Rilke antwortete nicht. Er nahm sein Halstuch ab und verband mir mit einer schnellen Bewegung die Augen.
    »Zieh dich aus!« befahl er. »Wenn du fertig bist, komm rüber in den roten Salon. Aber ohne das Tuch abzunehmen, verstanden?«

    Was war das für ein Spiel?
    Ich hörte, wie er das Bad verließ, und begann folgsam, meine Kleider auf den Boden fallen zu lassen. Als ich nackt war, tastete ich mich in die Richtung, in der ich die Tür vermutete. Auf dem Flur ging ich an der Wand entlang, bis ich den zweiten Türrahmen auf der rechten Seite erfühlte. Meiner Erinnerung nach mußte hier das rote Zimmer sein.
    Jede Faser meines Körpers war gespannt, meine Haut schmerzte fast vor Erwartung, meine Brustwarzen waren steil aufgerichtet. Die Vorstellung, nackt und schutzlos in einem fremden, leeren Haus umherzugehen, nicht zu wissen, ob mich jemand beobachtete oder mich gleich berührte, erfüllte mich mit einer nie gekannten Erregung.
    Ich drückte die Metallklinke herunter und glitt in den Raum, von dem ich hoffte, daß es der richtige war.
    Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen. Das Holz fühlte sich warm an, die Metallstreben dazwischen kalt.
    Ich fühlte, daß der Raum nicht leer war. Obwohl ich wußte, daß nur Rilke es sein konnte, der mich erwartete, kostete es mich große Überwindung weiterzugehen. Mit jedem Schritt wuchs meine Anspannung.
    Jemand packte mein Handgelenk. Ich schrie auf, die Berührung war zu plötzlich, zu unvermittelt gekommen.
    Ich wurde ein Stück geführt, bis ich mit dem Fuß an etwas stieß. Ein Stuhl, nahm ich an, aber es war eine Art Kanapee.
    Rilke sprach kein Wort, ich hörte nur seinen Atem.
    Ich versuchte, mich zu entspannen, da fühlte ich, wie er meine Hände und Füße festband. Sofort empfand ich den natürlichen Impuls, mich zu befreien.
    Gefesselt zu werden gehörte nicht zum Repertoire meiner Phantasien.
    So ausgeliefert zu sein widerstrebte mir, aber es war zu spät.
    »Rilke?« fragte ich zaghaft ins Dunkel.
    Wenn es nun gar nicht Rilke war, der mich festgebunden hatte? Wenn er selbst überwältigt worden und ich in der Gewalt eines Fremden war? Benno Hinterseer fiel mir ein, und schlagartig erfaßte mich Panik.
    »Rilke!« schrie ich.
    »Pssst«, hörte ich und eine Hand strich beruhigend über meinen Körper.
    Dann spürte ich Lippen auf meinen und eine Zungenspitze, die ohne jeden Zweifel zu dem Mann gehörten, den ich am wildesten begehrte.
    Was sich anschließend abspielte, werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Rilke trieb mich von einem Höhepunkt zum nächsten. Er spielte auf meinem Körper wie auf einem Instrument, und wenn er anfangs noch zaghaft war, so wurde er mit der Zeit immer sicherer und wagemutiger.
    Unser Stöhnen hallte durch den riesigen Raum; nach wie vor sah ich nichts und versank um so tiefer in Ekstase.
    »Schscht«, machte Rilke plötzlich und hielt mir die Hand vor den Mund.
    Zitternd lag ich in seinem Arm und lauschte. Schritte näherten sich und leise Stimmen.
    Mit einem Ruck zog Rilke die Plastikplane über uns, und wir verhielten uns still. Die Tür ging auf.
    »Boah, geil. Stell dir vor, was für Feten man hier feiern könnte«, sagte eine männliche Stimme.
    Die Schritte gingen im Raum hin und her. Ich starb fast unter der Plane. Erstens vor Hitze und zweitens vor unterdrücktem Lachen. Die Situation war zu grotesk.
    Plötzlich fiel mir ein, daß meine Klamotten noch im Bad lagen. Hoffentlich kam keiner von denen auf die Idee, sie mitgehen zu lassen.
    Von unten hörten wir jemanden rufen.
    »Wir kommen schon«, antwortete die Stimme, und die Schritte entfernten sich.
    Im Morgengrauen stiegen Rilke und ich im Erdgeschoß aus einem Fenster, weil der Ausgang verschlossen war.
    Barfuß, mit den Schuhen in der Hand, liefen wir über die feuchte Wiese. Ich war sicher, nie in meinem Leben so glücklich gewesen zu sein.

    Voller Energie und angetrieben von meinem täglich wachsenden Schuldenberg, stürzte ich mich in meinen
    »Beautyline«-Job. Ich erstellte eine Liste mit Namen von potentiellen Käufern sowie eine zweite mit möglichen Subunternehmern. Beide Listen wurden bei weitem nicht so lang, wie ich mir vorgestellt hatte. Aber ich zählte auf den Schneeballeffekt. Jeder Kundenkontakt würde weitere Kontakte nach

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