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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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hätte mich nie getraut zu fragen. Aber die Ungewißheit bohrte in mir.
    Wenn wir aber zusammen waren, wurde ich für alles entschädigt. Es war immer noch wie ein Rausch, und ich wunderte mich nur, daß meine Lust auf ihn nicht weniger, sondern mehr wurde. Einerseits machte mich das glücklich, andererseits war es quälend.
    Das Schlimme war, daß die Sehnsucht nach ihm auch durch seine Anwesenheit nicht gestillt wurde. Selbst in Momenten größter Nähe hatte ich das Gefühl, er bestünde aus flüchtiger Materie. Manchmal wußte ich nicht, ob ich ihn mehr vermißte, wenn er da war oder wenn er weg war.

    An einem der Abende, als er mal wieder unterwegs war, tigerte ich ruhelos durch die Wohnung. Ich putzte und räumte ein bißchen herum, aber die Unruhe ließ nicht nach. Als auch Bügeln nicht half, setzte ich mich mit einer Flasche Wein in die Küche vor den Fernseher und zappte von einer Comedy-Show in die nächste. Lief denn überhaupt nichts anderes mehr als dieser Schwachsinn?
    Die Kühlschranktür ging, Hartmann holte sich eine Flasche Bier und setzte sich neben mich.
    Mit unbewegter Miene starrte er auf die quasselnden Gestalten, deren Geschwätz nur durch das ständig wiederkehrende Lachen eines unsichtbaren Publikums unterbrochen wurde.
    »Das ist ja nicht auszuhalten.«
    Ich drückte auf den Stumm-Knopf. Jetzt zappelten die Typen ohne Ton.
    Ich nahm mein Glas, Hartmann hielt mir die Bierflasche zum Anstoßen hin.
    »Auf dich. Bist ’ne starke Frau.«
    Wir nahmen beide einen Schluck.
    Ich wurde nicht schlau aus Hartmann. Mit seinen millimeterkurzen Haaren und dem kantigen Schädel sah er ziemlich bedrohlich aus, und seit unserer Beautyline-Strafaktion wußte ich, daß er nicht immer so sanftmütig war, wie ich ihn vorher erlebt hatte. Zweifellos war er aber ein sensibler Typ, der Menschen genau beobachtete.
    Er war sicher einsam, außer Nicki und Rilke schien er keine Freunde zu haben. Seit ich hier wohnte, hatte er nie ein Mädchen mitgebracht, während Nicki dreimal in der Woche mit einem neuen Mädel beim Frühstück auftauchte.
    »Schon genervt von der Chaos-Community?«
    »Nein, wieso?«
    »Siehst irgendwie fertig aus.«
    »Nö, alles in Ordnung.«
    Wir schauten schweigend auf die Mattscheibe, wo gerade Werbung lief. Ein riesiger roter Frauenmund verleibte sich einen Löffel Joghurt ein, fröhliche Kinder tanzten um einen gedeckten Tisch, ein gutaussehender Typ steckte einer leichtbekleideten Frau einen Ring an.
    »Rilke ist ein harter Brocken, was?«
    Ich sah ihn überrascht an.
    »Ich kenne ihn ziemlich gut, weißt du.« Er lachte kurz auf. »Rilke ist echt der einzige Typ, in den ich als Frau nicht verliebt sein möchte.«
    »Woher kennst du ihn?«
    Hartmann stand auf und setzte sich mir gegenüber auf einen anderen Stuhl, um mich besser ansehen zu können.
    »Du wirst es nicht glauben, aber er hat mir sozusagen das Leben gerettet. Vor drei Jahren steckte ich ziemlich tief in der Scheiße, Drogen und so. Er hat mich rausgeholt.
    Wir sind fünf Monate durch Australien gefahren, haben die härtesten Jobs gemacht. Bäume fällen, Schlachthof, Baustelle, Autos verschrotten. Danach war ich clean.«
    Ich schwieg beeindruckt. Davon hatte Rilke mir nie erzählt. Aber was erzählte der schon.

    »Du hast recht«, sagte ich, »Rilke ist ein harter Brocken.
    Er ist vielleicht der beste Typ, den ich in meinem Leben getroffen habe, und wie du weißt, bin ich ein paar Tage älter als du. Aber manchmal frage ich mich, ob ich ihn vielleicht besser nicht getroffen hätte.«
    »Er läßt keinen wirklich an sich ran, ist es das?«
    Ich nickte. »Er sagt, er hat beschlossen, nicht zu lieben, nur zu begehren. Dadurch ist er unverletzbar.«
    Hartmann lachte kurz auf. »Das wäre er vielleicht gerne.
    Ich verrate dir was: Seine letzte Freundin, seine ganz große Liebe, ist aus dem Fenster gesprungen. Das hat er bis heute nicht gepackt.«
    Mit großen Augen sah ich ihn an, während er den Rest seines Bieres herunterstürzte.
    »Danke, daß du’s mir gesagt hast«, murmelte ich und stand auf.
    Ich zögerte kurz, dann ging ich in Rilkes Zimmer und legte mich in sein Bett. Ich hüllte mich in seine Decke, schloß die Augen und wühlte meinen Kopf in sein Kissen.

    »Du ahnst nicht, was heute in der Post war.«
    Friedrich war mal wieder am Telefon, und ich hatte gute Lust, ihm zu sagen, er solle mich endlich mit seinen kindischen Störmanövern verschonen. Aber Lucy und Jonas zuliebe riß ich mich zusammen.
    »Du bist

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