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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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zu fassen und klammerte sich wimmernd daran fest. Sie stieß auf.
    »Na, na, wer rülpst denn da so ekelhaft«, rügte Hartmann.
    Mit einer blitzschnellen Bewegung fesselte er ihre Hand an den Spiegel.
    Ich öffnete die Autotür und verstreute mit Schwung den Inhalt der zweiten »Beautyline«-Dose im Inneren des Wagens. Das Zeug haftete an den Polstern wie der Teufel.
    Hartmann und ich nickten den anderen beiden zu, und wir liefen so schnell wir konnten zum Auto. Als wir außer Sichtweite waren, löste sich unsere Anspannung, und wir platzten fast vor Lachen.
    »Rache ist süß«, grinste Hartmann und fragte: »Na, wie fühlst du dich jetzt, Donald?«
    »Ungefähr wie nach einem Bankraub«, sagte ich und nahm meine Karnevalsmaske ab.
    Ich war zwar nicht, wie nach Banküberfällen üblich, reicher als vorher, sondern immer noch um sechstausend Mark ärmer, trotzdem empfand ich ein tiefes Gefühl der Genugtuung nach diesem kindischen Streich.

    Friedrich hatte begonnen, eine subtile Form des Telefonterrors auszuüben. Mehrmals in der Woche rief er unter der WG-Nummer an und verlangte seine Frau zu sprechen. Mich fragte er dann, wo die Käsereibe sei, ob noch Mottenkugeln im Haus wären oder in welchem Ordner sich die Nebenkostenabrechnungen befänden.
    Immer wieder bat ich ihn, mich unter der Handynummer anzurufen, aber er ignorierte meine Bitte. Offenbar wollte er meine Mitbewohner, insbesondere Rilke, mit Nachdruck auf seine Existenz hinweisen.
    Lucy und Jonas hingen fast jeden Tag bei mir herum, und so erfuhren die Jungs die neuesten Nachrichten aus dem Hause Schrader.
    »Kannst du Papa nicht mal ein paar Rezepte geben?« bat Lucy verzweifelt. »Er bringt uns noch um mit seinen Kochkünsten.«
    Jonas beklagte sich, daß er zwar viel mehr fernsehen dürfe als bei mir, daß Friedrich aber versuche, ihn immer so früh ins Bett abzuschieben. »Dabei kommen die guten Sendungen doch erst später«, maulte er.
    »Sag deinem Vater, du sollst nicht so viel glotzen«, befahl ich.
    »Und wann muß ich ins Bett?«
    »Bis halb neun darfst du aufbleiben. Mindestens.«
    Jonas wiegte sorgenvoll den Kopf.
    »Das steht Papa nicht durch. Er sagt, es sei so anstrengend mit uns. Ab sechs fragt er immer, ob ich nicht langsam müde werde.«
    Ich lachte zufrieden in mich hinein. Meine Kinder leisteten offenbar ganze Arbeit.
    Seit die Kindergartengruppe doppelt so groß war, streikte Jonas morgens. Es war ihm zu laut dort. Friedrich hatte seine liebe Mühe, das widerstrebende Kind loszuwerden, um zur Arbeit zu kommen.
    »Papa ist total gestreßt«, berichtete auch Lucy regelmäßig, wenn ich mich nach seinem Befinden erkundigte.
    »War er abends eigentlich schon mal weg?« wollte ich wissen.
    Lucy verneinte. »Der fällt um zehn in die Kiste und schläft vor den Nachrichten ein.«
    Ich war voller Schadenfreude; endlich erlebte Friedrich am eigenen Leib, wie es mir in den letzten Jahren ergangen war.

    Je länger ich in der WG wohnte, desto mehr nervte mich das Chaos. Ich begann, unauffällig dafür zu sorgen, daß die Wäscheberge abgebaut und hie und da Staub gesaugt wurde.

    »Oh, gute Idee«, kommentierte Nicki, als er mich eines Tages auf einer Trittleiter beim Fensterputzen antraf.
    Er machte keinerlei Anstalten, mir behilflich zu sein; zum Beispiel die wackelige Leiter zu halten oder einen Eimer frisches Wasser zu holen. Er war es gewöhnt, daß Frauen für ihn putzten. Im Haus seines Vaters gab es jede Menge Personal.
    Hartmann war sicher ohne Personal aufgewachsen, aber auch er konnte ungerührt zusehen, wie ich den Küchenboden schrubbte oder zwei Zentner Altpapier runterschleppte. Ihn konnte ich zur Mitarbeit nur bewegen, wenn ich im Gegenzug etwas kochte. Er aß gerne, konnte aber selbst nicht mal eine Tütensuppe zubereiten.
    Rilke hingegen versuchte, mich zu bremsen. »Laß doch«, sagte er, wenn ich das Geschirr von vier Tagen in die Spülmaschine räumen wollte, »ich mach das nachher schon.«
    Natürlich machte er es weder nachher noch sonst irgendwann. Er vergaß es einfach, weil er etwas aufschreiben mußte, weil ein wichtiger Anruf kam, weil er Taxi fahren oder irgendeinen anderen seiner tausend Jobs machen mußte.
    Eigentlich war Rilke immer beschäftigt. Ich sah ihn kaum öfter als früher. Inzwischen kam es sogar manchmal vor, daß er auch nachts verschwunden blieb. Ich wußte selten, wo er war, mit wem er sich traf, wann er zurückkommen würde. Er sagte einfach nichts; entweder er war da, oder er war nicht da. Ich

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