Am Anfang war der Tod
sie überlegt, Nonne zu werden. Bei ihren Kollegen war sie sehr beliebt gewesen. Ihnen hatte sie erzählt, dass sie nach Miami ging, weil sie dort neue Freunde gefunden hatte und hoffte, in einer kirchlichen Gemeinde einen Partner zu finden. Aber die Durchsicht der Pfarrgemeindelisten verschiedener katholischer Kirchen hatte keine Hinweise erbracht. Am Nachmittag wollte Franklin einige Priester persönlich aufsuchen und ihnen das Porträt zeigen.
„Glauben Sie, dass sie in etwas hineingeraten ist, das ihr viel versprechender erschien als der Katholizismus?“ fragte Franklin. „Wenn man sich ihr Profil anschaut, liegt diese Vermutung nahe. Und da Sie glauben, dass es da unten im Staat so eine Art Wiedererweckungs-Bewegung gibt …“
„Sie klingen nicht sehr überzeugt.“
„Jedenfalls haben wir jetzt, wo wir wissen, wer die Frau ist, auch ein paar Hinweise gefunden“, entgegnete Franklin.
„Ich muss Ihnen sagen, Franklin, dass ich wirklich beeindruckt davon bin, wie schnell Sie das alles herausgefunden haben.“
„Sie sind ein guter Polizist, Jake, und Sie halten mich für ein Arschloch. Ich komme nicht so an die Leute heran wie Sie, das ist wahr. Aber ich hatte schon einen Abschluss in Kriminologie, ehe ich nach Quantico gekommen bin. Und Sie können sich nicht vorstellen, was wir da alles gelernt haben. Wir haben Tage damit verbracht, Papierchen so zu falten, dass auch nicht eine einzige Mikrofaser bei der Beweisaufnahme verloren ging. Ich habe hart gearbeitet.“ Er schwieg eine Minute. Dann fügte er hinzu: „Ich möchte nicht, dass Sie mich für einen Idioten halten.“
„Sie sind kein Idiot“, beruhigte Jake ihn.
„Nun ja, wenn es um Kleinigkeiten geht, lasse ich nichts unbeachtet. Was den Instinkt angeht … das ist Ihr Ding. Wenn Ihnen Ihr Instinkt also etwas sagt, lassen Sie es mich wissen. Ich werde es dann auf Fakten überprüfen.“
„Sicher. Im Moment habe ich allerdings überhaupt nichts in der Hand“, gestand Jake. Das war eine Lüge. Er wusste, dass etwas dicht vor seiner Nase lag. Er konnte es nur noch nicht erkennen. Nebel und Spiegel. „Sonst noch was?“ riss Jake sich aus seinen eigenen Gedanken.
„Ja. Sie wissen doch, dass Peter Bordons Gefängnisstrafe ausgesetzt wird und dass er vermutlich Anfang nächster Woche freikommt.“
„Damit war zu rechnen.“
Das Gespräch war beendet, und Jake fuhr mit seiner Befragung fort. Während die junge Maklerin weitere Namens- und Grundstückslisten für ihn ausdruckte, rief Jake in der Gerichtsmedizin an und bat Skip Conrad, einen alten Freund, um einen Gefallen.
„Jake, ich komme erst heute Abend hier raus. Und dein Hausboot wird ein einziges Durcheinander sein, wenn ich fertig bin. Das weißt du doch. Bist du dir wirklich sicher, dass ich das machen soll?“
„Ja. Es ist mir egal, wie’s hinterher aussieht. Danach hast du was gut bei mir. Und tu mir bitte noch einen anderen Gefallen: Sag niemandem etwas davon. Ach ja, und wenn ich nicht da bin, kannst du den Schlüssel bei Nick Montague holen. Das ist der Barbesitzer.“
Skip schwieg ein paar Sekunden. „Bist du sicher, dass dieser Nick nicht auf deinem Boot war?“
„Ich bin mir über gar nichts sicher.“
„Was ist mit Brian Lassiter?“
„Für den kann ich meine Hand auch nicht ins Feuer legen.“
Er bedankte sich bei Skip und schaltete das Handy aus. Skip würde bestimmt Brians Fingerabdrücke finden. Der Kerl war schließlich auf seinem Boot gewesen, voll wie tausend Russen, und er hatte überall hingefasst. Aber seine Abdrücke würden überhaupt nichts beweisen. Müde rieb er sich die Schläfen.
Wieder klingelte sein Handy. Diesmal war es Marty. „Ich bin gerade im Haus, in dem Cassie Sewell zuletzt gewohnt hat. Es ist jetzt an eine Familie vermietet, aber sie haben nichts dagegen, wenn wir uns ein wenig umschauen.“
„Ich bin gleich bei dir.“
Jake sammelte die Listen ein und verließ das Büro. Im Wagen warf er einen raschen Blick auf die Adressen.
Alle lagen in der Nähe der Everglades.
Und alle waren ziemlich nahe an der Stelle, wo vor fast fünf Jahren Nancy Lassiter in den Kanal gestürzt war und alle Entdeckungen, auf die sie gestoßen war, mit ins Grab genommen hatte.
Während der Autofahrt fragte Ashley sich des Öfteren, ob sie noch bei Verstand war. Sie kannte den Mann, der neben ihr saß, überhaupt nicht, und sie wusste auch nicht, wohin sie eigentlich fuhren – und warum. David sah aus wie viele junge Männer, ganz gut sogar. Er
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