Am Anfang war der Tod
hinter irgendeinem religiösen Kult her, so wie beim letzten Mal.“
„Das bin ich auch.“
Jesse schwieg. Das Boot bewegte sich leise vorwärts.
„Was fängt man mit Land in dieser Gegend an?“ überlegte Jake laut.
Ratlos hob Jesse die Schultern. „Nun ja, für Viehzucht ist es kaum geeignet. Zu schlammig. Und wenn dann noch ein Hurrikan wie Andrew übers Land tobt oder auch nur ein heftiger Regen, waten Sie wochenlang im Matsch – vielleicht sogar monatelang. Das hält die Leute trotzdem nicht davon ab, Land zu erwerben für Pferde, Kühe, Hühner – sogar Schweine. Es wird auch viel angepflanzt. An einigen Stellen ist der Boden ausgesprochen fruchtbar. Meine Vorfahren haben Kürbisse angebaut. Heute gibt es nicht mehr viele Kürbisfelder, dafür eine Menge Erdbeerfarmen. Man kann hier sogar Zitrusfrüchte anpflanzen. Viele Leute wollen einfach nur ein großes Grundstück haben. Ein riesiges Grundstück. Das ist hier draußen natürlich sehr viel billiger als in Stadtnähe. Man kann sich ein großes Haus draufsetzen, Tennisplätze, Swimmingpool, Sportanlagen. Einige haben sich hier wahre Paläste gebaut. Die leben eben gern dort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.“
Schweigend betrachtete Jake die Umgebung. Von seinem Standpunkt aus konnte er sich einen guten Überblick verschaffen. Die Häuser waren in großer Entfernung zum Wasser gebaut. Über kilometerlange Kanäle konnte man auf direktem Weg aus den Sümpfen mitten hinein in die Zivilisation gelangen.
„Hier gibts vor allem zwei Arten von Verbrechen“, fuhr Jesse fort, ohne den Blick von ihm zu wenden. „Drogenhandel und Mord. Manchmal gehen sie Hand in Hand.“
Jake nickte, ohne etwas zu sagen.
„Die Frauen, die in der Gegend getötet wurden … denen hat man auch die Ohren abgeschnitten, nicht wahr?“ fragte Jesse. „Und sie waren Mitglieder einer Sekte?“
„Mhhm.“
„Die abgeschnittenen Ohren könnten bedeuten, dass die Mädchen nicht auf ihren Führer gehört haben – oder dass sie zu viel gehört haben. Ihre Ohren hatten sie verraten. Vermutlich so eine Art ‚Auge um Auge‘-Abmachung. Vielleicht sollte die Polizei auch nur in die Irre geführt werden.“
Verblüfft sah Jake ihn an. „Genau das Gleiche habe ich auch gedacht.“
„Wie sind Sie darauf gekommen?“
„Ich habe Peter Bordon besucht.“
„Oh? Hat er Ihnen etwas erzählt?“
„‚Nebel und Spiegel‘“ zitierte Jake. „Irgendwas ist zum Greifen nahe, aber ich weiß nicht, was. Vermutlich sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht.“
„Na ja“, meinte Jesse achselzuckend, „hier werden Sie jedenfalls eine Menge Bäume sehen. Hoffentlich finden Sie bald den Wald. Ich habe nämlich gehört, dass Peter Bordon demnächst entlassen werden soll.“
Ashley brachte David Wharton zu der Garage zurück, in der er seinen Wagen geparkt hatte. Er wollte sofort ins Rathaus fahren und sich Einblick in die Grundbücher verschaffen.
„Mein Gott“, murmelte sie, als sie daran dachte, dass Jakes unbekannte Tote erst vor wenigen Stunden identifiziert worden war und sie selbst sich jetzt ebenfalls mit Grundstücken beschäftigte.
„Was ist los?“ fragte David.
Sie machte eine abwehrende Geste. „Nichts Besonderes.“ Sie wollte nicht über Jakes Ermittlungen reden – vor allem nicht mit einem Reporter.
„Rufen Sie mich auf dem Handy an“, sagte sie. „Ich fahre jetzt ins Krankenhaus.“
„Ich dachte, Nathan Fresia will nicht, dass Sie kommen?“
„Nun ja, eigentlich nicht … aber jetzt ist ja die Polizei da. Ich muss auch nicht in Stuarts Zimmer, um zu erfahren, wie’s ihm geht. Außerdem wollte ich Lucy ein paar Blumen bringen.“
„Na gut. Ich muss mich beeilen. Wer weiß, wie lange die heute geöffnet haben.“
Nachdem er ausgestiegen war, fuhr sie sofort ins Krankenhaus. Erneut beschlich sie das unangenehme Gefühl, als sie in der Tiefgarage parkte. Aber es war mitten am Tag, und es herrschte viel Betrieb. Sie beschloss, Nick kurz anzurufen – soweit sie sich erinnerte, hatte er etwas von einem Abendessen gesagt. Katie nahm das Gespräch entgegen und teilte ihr mit, dass Nick mit Sharon ausgegangen sei.
„Hat mich wegen einer anderen sitzen lassen“, scherzte Ashley.
„Das würde er niemals tun – nicht bei dir. Bist du denn mit deinem Onkel verabredet?“
„Nein, wir hatten das nur locker ins Auge gefasst. Vielen Dank, Katie. Hoffentlich machst du einen guten Umsatz. Wenn’s eng wird, ruf mich an. Ich bin gerade im
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