Am Anfang war der Tod
dir am liebsten einen Tritt verpassen. Und zwar so heftig, dass du nie mehr aufrecht gehen kannst.“
Die Drohung fruchtete nichts. In Sekundenschnelle lag er auf ihr und drückte sie so fest, dass sie keinen Finger hätte rühren können, selbst wenn ihr Leben davon abgehangen hätte. Ein Punkt für ihn, musste sie zugeben.
„Also?“ fragte er leise.
„Lass mich sofort los, Dilessio, verdammt noch mal. Ich gehe jetzt. Ich habe auch einiges zu erledigen.“
„Du wolltest doch gar nicht gehen.“
„Vorhin vielleicht nicht; jetzt schon. Ich kann nicht bei dir bleiben, Jake, wenn du glaubst, dass du mir deinen Willen aufzwingen kannst, wenn du über mein Leben bestimmen willst. Wenn es dir am liebsten wäre, dass ich meinen Glaskäfig nie verlasse, nur weil du mal in eine Polizistin verliebt warst.“ Als er etwas entgegnen wollte, hob sie abwehrend die Hand. „Ob du nun mit ihr geschlafen hast oder nicht, auf jeden Fall hast du sie geliebt. Vielleicht hast du die Angelegenheit ja in den letzten fünf Jahren verdrängt, während du dich um andere Dinge gekümmert hast, aber abgeschlossen hast du mit der Sache nie. Das ist verständlich. Aber du kannst deine Zukunft nicht für alle Zeiten nach dem ausrichten, was in der Vergangenheit passiert ist.“
Er erhob sich und ließ sie auf dem Bett zurück. „Ich stecke deine Sachen in den Trockner. Du kannst bleiben, duschen und gehen, wann du willst – und tun, was immer du mitten in der Nacht zu tun hast. Ich muss jetzt los.“
Sie wusste, dass er nicht so überhastet hätte aufbrechen müssen. Hatte er ihr nicht gesagt, dass er erst um vier Uhr fahren wollte? Sie saß wie auf heißen Kohlen und war wütend, wollte sich mit ihm streiten und ihn darauf aufmerksam machen, dass sie im Handumdrehen aus seinem Leben verschwinden konnte. Doch er stand bereits wieder in der engen Dusche – allein. Und er hatte ihre Sachen nicht in den Trockner geworfen.
Die Tür hatte er geschlossen. Sie dachte nicht im Traum daran, vor der Dusche stehen zu bleiben, um mit ihm zu diskutieren und dabei gegen das Rauschen des Wassers anzuschreien.
Das war natürlich auch gar nicht die Versuchung, der sie widerstehen musste. Am liebsten wäre sie zu ihm in die Dusche geschlüpft und hätte wieder mit ihm gelacht, während er mit der Seife über ihre Haut glitt und …
Ihr wurde beklommen ums Herz. Das alles war falsch, ganz falsch. Sie konnte seine Erwartungen und Bedürfnisse nicht erfüllen, sie konnte ihm heute nichts versprechen, was sie in Zukunft nicht würde halten können oder wollen.
Ashley zog sich ihre nassen Sachen an, dann zögerte sie. Noch immer rauschte das Wasser in der Kabine. Wenn sie ihm jetzt eine Nachricht hinterließ und verschwand, hätte sie das Gefühl, klein beigegeben zu haben. Wenn sie wartete, um mit ihm zu reden …
Sie eilte zu dem Notizblock, der neben dem Telefon lag, und schlug die Seiten mit ihren Zeichnungen um, bis sie zu einem leeren Blatt kam. Dann griff sie zum Bleistift.
Lieber Jake …
Ihr fiel nichts ein. Das Wasser würde nicht ewig rauschen.
So funktionierte es nicht.
Erneut suchte sie vergeblich nach Worten. Sie hätte ihm so viel sagen können. Ich kann meine Nase nicht aus Dingen heraushalten, die mich persönlich angehen? Nein, so nicht.
Ich verstehe deine Gefühle. Vielleicht nicht in jeder Beziehung, aber ich weiß genug von der Vergangenheit. Es tut mir so Leid, was Nancy zugestoßen ist, doch ich bin sicher, dass sie davon überzeugt war, etwas Wichtiges zu tun und tun zu müssen, was immer es gewesen sein mag. Ich bin auch nicht der Typ, der sich einsperren lässt. Du kannst mich nicht dein ganzes Leben lang beschützen, nur weil du dir Sorgen um mich machst.
Oder klang das zu überheblich?
Vielleicht maß sie einer Beziehung, die für ihn nicht mehr als eine heiße und heftige Sex-Affäre war, zu viel Bedeutung bei. Nein. Er mochte sie. Das wusste sie. Und ihr bedeutete es ebenfalls sehr viel. Traute sie sich, die Wahrheit zu schreiben? Ich bin dabei, mich in dich zu verlieben, und für diese Liebe würde ich meine Seele, meine Zukunft und meinen Glauben an mich selbst verpfänden …
Nein. Das würde sie ganz bestimmt nicht schreiben. Sie entschied sich für: Ich kann dich nicht mehr treffen.
Da war noch mehr, so viel mehr, was sie hätte schreiben können. Viel zu viel. Aber im Moment hatte sie andere Sorgen. Karen. Sie musste herausfinden, was mit ihrer Freundin geschehen war. Zwar hatte sie ein ungutes Gefühl
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