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Am Anfang war der Tod

Am Anfang war der Tod

Titel: Am Anfang war der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Graham
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hielt. Später hatte er Jake gestanden, dass er sich auf seinen Instinkt verlassen hätte – das wichtigste Werkzeug für einen Polizist; wichtiger als modernste Ermittlungstechniken.
    Jake hatte all seine Versprechen gehalten, denn er war dankbar, dass er nicht ins Gefängnis musste. Er war sogar wieder nüchtern gewesen und hatte sich notdürftig gesäubert, ehe er nach Hause gegangen war. Seine Mutter hatte geweint, und sein Vater hatte ihn angebrüllt.
    Die fünfzig Stunden hatte Jake bei der Organisation „Menschliches Wohnen“ und in einer Suppenküche für Obdachlose im Zentrum von Miami abgeleistet. Dabei hatte er die schlimmsten Seiten der Stadt kennen gelernt: Männer und Frauen, die so tief im Drogensumpf steckten, dass das Leben für sie jegliche Bedeutung verloren hatte und deren Kinder den Preis für die Sucht der Eltern zahlen mussten: Babys ohne Zukunft, die mit AIDS auf die Welt gekommen waren. Er lernte auch die wenigen anderen kennen, deren Leben eine radikale Wendung zum Besseren genommen hatte. Der Drogendieb, der dank eines anständigen Polizisten auf den rechten Weg zurückgekommen war und ein Heim für missbrauchte Kinder eingerichtet hatte. Die Prostituierte, die ihr Leben geändert hatte, weil sie an einen Priester geraten war, dem nichts Menschliches fremd war. Und dann war da noch der betrügerische Buchhalter, der, nachdem er aus dem Gefängnis entlassen worden war, anderen bei der Steuererklärung half und Gelder zur Unterstützung älterer Menschen sammelte.
    Im Polizeirevier hatte Carlos ihm Videoaufnahmen gezeigt, die schlimmer waren als alles, was sich ein Filmemacher ausdenken konnte. Bilder von Verkehrsunfällen, bei denen in der Regel Alkohol im Spiel war.
    Dabei hatte er auch andere Menschen getroffen, die Carlos für lange Jahre ins Gefängnis hätte bringen können – was er jedoch nicht getan hatte.
    Er hatte einen hohen Einsatz auf sie verwettet.
    Und er hatte gewonnen.
    Jake hätte es bei diesen Erfahrungen bewenden lassen können. Mit seinem Schulabschluss hätte er jede Universität in den Vereinigten Staaten besuchen können. Von Harvard, der Alma Mater seines Vaters, hatte er bereits eine Zusage in der Tasche.
    Er war nicht gegangen.
    Wieder hatte seine Mutter geweint und sein Vater ihn angeschrien. Aber da seine Eltern ihn ebenso sehr liebten wie er sie, hatten sie schließlich seine Entscheidung akzeptiert. Er blieb zu Hause, studierte Kriminologie am College seiner Heimatstadt und bewarb sich bei der Polizei.
    In all den Jahren hatte er seinen Entschluss nicht ein einziges Mal bereut. Sogar sein Vater war am Ende stolz auf ihn gewesen. Keiner hatte ihn glücklicher zu seiner Beförderung zum Detective beglückwünscht. Seit er Carlos kannte, war Jake klar, dass er im Morddezernat arbeiten wollte. Dabei war Carlos nicht einmal in derselben Abteilung tätig. Aber ein Erlebnis mit ihm hatte Jake, der zu dieser Zeit noch auf dem College war, nachhaltig geprägt. Eines Tages war er mit Carlos unterwegs gewesen. Plötzlich war er an den Straßenrand gefahren, weil er einen leblosen Körper auf der angrenzenden Wiese entdeckt hatte.
    „Warum verständigen Sie nicht Ihre Kollegen?“ hatte Jake ihn gefragt. „Sie sind doch nicht im Dienst.“
    „Ich sage ihnen Bescheid, sobald ich mich umgesehen habe und weiß, was los ist. Ein Polizist ist nämlich immer im Dienst, Jake. Das solltest du eigentlich wissen.“
    Carlos war schon ein bemerkenswerter Mann. Jake wäre die auf dem Bauch liegende Gestalt niemals aufgefallen. Das hohe Gras, achtlos hinterlassener Müll, Limonadendosen und Bierflaschen verdeckten sie fast vollkommen.
    Für solche Dinge hatte Carlos ein Auge. Er versicherte Jake, dass es ihm, wenn er erst einmal ein wenig Erfahrung gesammelt hätte, genauso ergehen würde.
    Sobald Carlos sich vergewissert hatte, dass der Mann tot war und er ihm nicht mehr helfen konnte, verständigte er seine Kollegen.
    Der Kerl hatte ausgesehen wie ein Wanderarbeiter oder Alkoholiker. Damals war es Jake nicht in den Sinn gekommen, dass der Mann möglicherweise einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein könnte. Natürlich war er dem Toten nicht zu nahe gekommen, denn Carlos hatte darauf geachtet, dass am Schauplatz eines Verbrechens nur ja keine Spuren zerstört wurden.
    Später, als die Detectives von der Mordkommission und die Spurenermittler eingetroffen waren, hatten Jake und Carlos ihnen bei der Arbeit zugesehen. Carlos versäumte nicht, ihn darauf hinzuweisen, dass er mit

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