Am Anfang war der Tod
Monaten haben Sie’s geschafft. Dann haben Sie Ihr Examen in der Tasche, und nichts steht mehr Ihrer Laufbahn als Polizist im Weg. Sie alle hatten unterschiedliche Träume und unterschiedliche Ziele, als Sie hierher gekommen sind. Die können Sie alle vergessen, wenn Sie nicht die Grundlagen beachten. Zuerst einmal: Warum zum Teufel sind wir hier? Jacoby, diese Frage hätte ich gerne von Ihnen beantwortet.“
Brennan zeigte auf Arne Jacoby, der neben Ashley saß. Jacoby sah aus, als könnte er entweder der beste Cop der Welt werden – oder der gemeinste Mistkerl. Er war einsneunzig groß und hundertvierzig Kilo schwer. Das reinste Muskelpaket. Er war ein sympathischer Bursche, nicht dunkelhäutig, sondern schwarz, hatte einen kahl geschorenen Kopf und ein markantes Gesicht. Seine überraschend grünen Augen bildeten einen starken Kontrast zu seiner Hautfarbe.
Jacoby grinste Brennan an. Er war nur einer von vielen Lehrern, die in dieser Klasse unterrichteten, aber er war sozusagen der Klassenlehrer dieses Lehrgangs – ein sympathischer Mann, den seine Schüler mochten, obwohl er ziemlich streng sein konnte und ihnen nicht viel durchgehen ließ. Er sprach oft vom moralischen Verhalten, das von einem Polizisten verlangt wurde, und er war hundertprozentig überzeugt von dem, was er sagte. Obwohl er dazu neigte, mitunter etwas zu ausführlich über Dogmen, Berufsethos und Gesinnung zu dozieren, hatte Jacoby ihm aufmerksam zugehört.
Er erhob sich.
Seine Klassenkameraden schauten zu ihm hin.
„Schützen und Dienen“, antwortete Jacoby.
„Genau. Vielen Dank, Jacoby. Das ist unsere wichtigste Aufgabe. Wir sind nicht dazu da, die Gesetzestreuen zu schikanieren oder nach Verbrechen zu suchen, wo keine sind. Schützen und Dienen. Wir sind uns jedoch alle im Klaren darüber, dass es da draußen kriminelle Individuen gibt, denen der Wert des menschlichen Lebens vollkommen egal ist. Sie haben die Videobänder gesehen. Sie kennen die Statistiken. Sie wissen, dass Polizisten, die jemanden wegen eines Verkehrsdelikts zur Rede stellen wollten, von dem Betreffenden ins Gesicht geschossen wurden, weil sie zufällig einen Mann erwischt hatten, der ein anderes Verbrechen begangen hatte oder der einfach ein durchgeknallter Irrer war. Nehmen wir mal an, vor Ihnen fährt ein Wagen, in dem eine Person sitzt, die mit Haftbefehl gesucht wird. Was ist das Erste, worauf Sie achten müssen?“
„Dass man nicht ins Gesicht geschossen wird?“ fragte Jacoby.
Brennan grinste. Er nahm ihm den Witz nicht übel.
„Und dann?“
„Muss man der betreffenden Person ihre Rechte vorlesen.“
„Hallelujah!“ sagte Brennan. „In den vergangenen Wochen haben Sie zahlreiche Spezialisten kennen gelernt, die Ihnen eine Menge über die verschiedenen Aspekte kriminalistischer Untersuchungen erzählt haben. Sie werden noch weitere erleben. Anthropologen, Insektenforscher, Fingerabdruckspezialisten, Botaniker, Chemiker, Ballistik-Experten, Mathematiker, Profiler, Serologen, Psychologen und Sprachwissenschaftler. Für das Gericht ist die Arbeit dieser Leute heutzutage ungeheuer wichtig. Aber was immer sie zur Aufklärung eines Falles beisteuern – es ist nichts wert, wenn die grundsätzliche Arbeit der Polizei schlampig verrichtet wird. Und damit wären wir wieder bei den Grundlagen. Wer kann mir etwas über die Miranda-Verordnung erzählen? Montague, wie wärs mit Ihnen?“
Ashley stand auf, während Arne Jacoby sich hinsetzte, und fasste zusammen, was es damit auf sich hatte: Polizisten mussten einen Festgenommenen darauf hinweisen, dass alles, was er sagte, gegen ihn verwendet werden konnte und er das Recht auf einen Anwalt hatte. Sätze, die man oft genug in Kriminalfilmen hören konnte.
„Sehr gut, Montague. Und welche Folgen kann es haben, wenn ein Beamter das vergisst?“
„Falls ein Polizist das nicht tut und während des Verhörs herausfindet, wo, sagen wir mal, die Mordwaffe versteckt ist, kann sich der Richter bei der Verhandlung weigern, diese Waffe als Beweismittel anzuerkennen, weil sie entdeckt wurde, ohne dass der Verdächtige zuvor auf seine Rechte hingewiesen worden ist.“
Brennan nickte zustimmend. „Ich weiß, dass Sie alle diese Bestimmungen kennen. Schließlich sind Sie schon eine ganze Weile hier. Sie haben den Lügendetektor-Test gemacht, Sie haben büffeln müssen, um die Aufnahmeprüfung zu schaffen. Heute Morgen geht es mir nicht darum, Ihnen etwas Neues beizubringen. Sondern darum, Ihnen nochmals
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