Am Anfang war der Tod
Wenn die Leute wüssten, mit wie vielen Formularen wir uns herumschlagen müssen! Wenn so ein Typ bei der Verhaftung auch nur einmal an der falschen Stelle niest, dürfen wir gleich zwanzig Seiten ausfüllen. Nein, nein, kein Grund, die Polizeiakademie abzubrechen. Ich habe ein bisschen übertrieben.“
Ashley stimmte in das Gelächter der anderen ein. Len hatte nie zu Nicks Stammgästen gehört; trotzdem hatte sie ihn dort kennen gelernt. Er war weder ein Skipper noch ein Angler. Zusammen mit einem Freund war er einmal aufs Meer hinausgefahren, und als sie nach einem heißen Tag auf dem Boot am Abend bei Nick einkehrten, hatte er mitbekommen, wie sie sich über die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die Polizeiakademie informierte. Sie waren ins Gespräch gekommen, und als er ein paar Wochen später noch einmal bei Nick auftauchte, hatte er sie um ein Date gebeten.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sie schon die Zulassung zur Prüfung in der Tasche, und sie hatte ihm gesagt, dass sie sich erst nach ihrer Ausbildung wieder auf eine Beziehung einlassen wollte. Len hatte sie gefragt, ob sie nicht wenigstens hin und wieder gemeinsam essen oder ins Kino gehen könnten. So war es dann auch gekommen, und sie wusste ihre Freundschaft zu schätzen. Es wäre wirklich schön, dachte Ashley jetzt, wenn es zwischen ihm und Karen funken würde.
„Na, Kleine, wie läufts denn?“ fragte er sie.
Arne Jacoby zog verächtlich die Nase hoch. „Wie’s läuft? Sie ist Klassenbeste. Ist noch nie eine Antwort schuldig geblieben. Und wenn sie eine gibt, dann ist es gleich ein ganzer Vortrag.“
„Ich habe nicht die Akademie gemeint“, sagte Len. „Hat sie euch von dem Mann erzählt, der letzte Woche auf dem Highway lag? In der Zeitung stand was über ihn. Ich habe sie für dich aufbewahrt, Ashley, falls du die Ausgabe nicht gesehen hast.“
„Ich habe den Artikel gefunden, Len. Es ist schlimmer, als ich gedacht habe.“
„Wovon redet ihr?“ wollte Arne wissen. „Klär uns mal auf – von Anfang an, bitte schön. Es hat also einen Unfall gegeben?“
„Ja, und die Umstände waren ziemlich seltsam. Leider auch traurig“, fügte sie hinzu, während sie Len anschaute. „Ich bin mit einigen Freunden übers Wochenende nach Orlando gefahren“, erklärte sie den anderen. „Auf dem Highway 95 sind wir an einem Unfall vorbeigekommen. Ein Fußgänger war angefahren worden. Offenbar war er über die Autobahn gelaufen. Er trug nur eine Unterhose. Später stellte sich dann heraus, dass es jemand war, den ich kenne. Oder vor einigen Jahren gekannt habe, um genauer zu sein.“
„Du kanntest den Typen?“ fragte Len.
„Ich glaube, ich habe im Verkehrsbericht von dem Unfall gehört“, sagte Gwyn stirnrunzelnd. „Und am nächsten Tag hats dann in der Zeitung gestanden.“
„Eine merkwürdige Geschichte. Da läuft ein Typ im Slip über den Highway. Na ja, schließlich sind wir in Miami … Vielleicht gehörte er zu einer studentischen Verbindung, und das Ganze war eine Wette oder so was?“ fragte Len.
„Nein, so einer ist Stuart nicht. Er geht auch gar nicht mehr aufs College; er arbeitet. Sein Examen hat er mit Auszeichnung bestanden. Er war eher ein Einzelgänger als ein Gruppenmensch.“
„Wie ist das denn passiert?“ wollte Gwyn wissen.
„Es heißt, er war voll gepumpt mit Drogen“, erklärte Len beiläufig. „Mehr weiß ich allerdings nicht über den Unfall. Die Jungs von North Miami kümmern sich vermutlich darum – oder die vom County. Wir könnten es herausbekommen, wenn ihr wollt. Wir checken die tödlichen Unfälle … Moment mal, er ist gar nicht tot, oder? Er liegt im Koma. Nach allem, was ich darüber gelesen habe, muss er aber wirklich total voll mit Junk gewesen sein.“
„War er schon ein Junkie, als du ihn kanntest?“ erkundigte Izzy sich mitfühlend.
„Nein“, antwortete Ashley empört. „Genau das ist das Problem. Ich halte ihn auch jetzt nicht für einen Junkie.“
„Wann hast du ihn denn das letzte Mal gesehen?“ wollte Arne wissen.
„Das ist schon ein paar Jahre her“, gab sie zu. Plötzlich sahen alle sie an. Mitleidig, wie ihr schien. Als ob sie sich nicht trauten, das Naheliegendste auszusprechen. Sie hatte den Mann seit langem aus den Augen verloren. Menschen waren wankelmütig. Wer sagte denn, dass er in all den Jahren nicht rauschgiftsüchtig geworden war? „Ich möchte trotzdem mehr über den Unfall herausfinden“, sagte sie.
„Frag Brennan – vielleicht weiß er Genaueres oder
Weitere Kostenlose Bücher