Am Anfang war der Tod
Sie gerne Ihren Kollegen etwas überlassen.“
„Was soll das heißen?“
„Das soll heißen, dass Sie Ihre Nase besser nicht in diesen Fall stecken. Gehen Sie nicht allein in gefährliche Gegenden, um auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen. Dafür sind Sie noch nicht ausgebildet. Vertrauen Sie einfach darauf, dass die zuständigen Leute ihren Job erledigen.“
Sie wandte den Blick nicht von der Straße. „Sie sind wohl auch so einer, nicht wahr? Deshalb lesen Sie selbst beim Essen noch Untersuchungsakten.“
„Ich mache diesen Job schon ziemlich lange. Seit zehn Jahren“, erwiderte er. „Sie haben gerade die Ausfahrt verpasst.“
„Möglicherweise nehme ich ja einen anderen Weg“, meinte sie schnippisch. Natürlich hatte er Recht. Sie war tatsächlich an der Ausfahrt vorbeigefahren.
Vielleicht sollte sie es besser zugeben und wenden. Was sie schließlich auch tat. Zu seiner Ehre musste gesagt werden, dass er kein Wort darüber verlor.
Schließlich erreichten sie Nicks Restaurant. Ashley parkte den Wagen auf ihrem Stellplatz, und sie stiegen aus. „Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, zum Krankenhaus zu kommen.“ Sie klang nicht mehr so steif wie zuvor.
Er nickte. „Ich werde Sergeant Carnegie sagen, dass Ihr Freund nicht zu den Jungs gehört, die sich selbst in solche Schwierigkeiten bringen. Vielleicht hat er ja schon selbst etwas herausbekommen.“
„Danke. Ach, Detective …“
„Ja?“
„Stuart ist kein Junge. Er ist fünfundzwanzig und war immer sehr verantwortungsvoll.“
„Klar doch. Gute Nacht.“
Er winkte ihr zu und schlenderte zu seinem Anlegeplatz hinüber. Ashley sah ihm nach.
Plötzlich war sie müde und erschöpft und noch besorgter um Stuart als zuvor. Sie betrat die Wohnung durch die Küche und hoffte, niemandem zu begegnen. Im Moment wollte sie mit keinem reden – nicht einmal mit Nick.
Die Wohnung war leer. Auf dem Weg zu ihrem Zimmer hörte sie Stimmen und Musik aus der Bar. Offenbar hatte Nick immer noch viel zu tun. Er würde gewiss Verständnis dafür aufbringen, dass sie sofort ins Bett gehen wollte. Genau wie Sharon, falls sie noch da war. Bestimmt war sie noch da. In letzter Zeit verbrachte sie die meisten Nächte bei Nick.
In ihrem Zimmer schaltete Ashley den Fernseher ein, bürstete ihr Haar, wusch sich das Gesicht und zog sich aus, während sie die Nachrichten verfolgte. Gerade wechselte der Moderator von den landesweiten zu den lokalen Meldungen. Am Abend hatte es auf dem Highway 595 in der Nähe von Broward eine Massenkarambolage gegeben. Ein Popstar war wegen Drogenbesitzes am Strand festgenommen worden. Zwei Filmproduzenten waren in einem Nachtclub in eine Schlägerei geraten.
Die Identität des Mordopfers, das am Freitag im Südwesten des Landes entdeckt worden war, stand immer noch nicht fest, obwohl die Polizei intensiv an dem Fall arbeitete. Der Gerichtsmediziner und das Morddezernat des Polizeipräsidiums von Miami hatten mitgeteilt, dass die Frau auf eine Art und Weise getötet worden war, die an eine Mordserie von vor fünf Jahren erinnerte.
Ashley stellte die Zahnbürste in den Becher und verließ das Badezimmer. Sie setzte sich ans Fußende des Bettes und schaute den Rest der Nachrichten. Der Moderator riet Frauen zu äußerster Vorsicht, ungeachtet der Tatsache, dass die früheren Morde mit einer Sekte in Verbindung standen, die längst nicht mehr existierte. Anschließend sprach er von Spekulationen innerhalb der Bevölkerung, denen zufolge Polizei und Justiz den wahren Täter seinerzeit deshalb nicht gefasst hätten, weil sie einem Wanderarbeiter glaubten, der die Morde gestanden und sich anschließend das Leben genommen hatte.
Jetzt wurde ein Foto von Peter Bordon eingeblendet, und der Sprecher erläuterte, dass die Opfer der früheren Morde ausnahmslos mit seiner Sekte in Verbindung gestanden hatten. Bordon, der noch immer im Staatsgefängnis saß, habe abgestritten, etwas mit den Verbrechen zu tun zu haben. Stattdessen sei er wegen Betrug und Steuerhinterziehung verurteilt worden.
Dann übergab der Sprecher an eine fröhliche junge Frau, die die Wettervorhersage verkündete und wunderschöne Tage sowie milde Nächte prophezeite.
Ashley schaltete den Fernseher aus und trat ins Freie. Sie betrachtete die Boote an ihren Liegeplätzen, und während sie ihren Blick an den sanft schaukelnden Schiffen vorbeigleiten ließ, entdeckte sie die
Gwendolyn
.
Das Boot von Detective Dilessio.
Vielleicht war er deshalb so
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