Am Anfang war der Tod
habe Sie nicht grün und blau geprügelt“, antwortete Jake.
Bordon legte den Kopf zur Seite und zuckte mit den Schultern. „Richtig. Sie wollten mich erwürgen.“
„Dafür sehen Sie noch ziemlich lebendig und recht gut aus.“
„Mir geht es auch gut, danke der Nachfrage.“
Sein hellbraunes Haar war nur leicht angegraut. Braun waren auch seine merkwürdig durchdringenden Augen, und manchmal schien es, als könne Bordon sie je nach Bedarf heller oder dunkler erscheinen lassen. Er konnte einen Menschen mit seinem Blick fast hypnotisieren. Seine Stimme war weich, aber volltönend. Selbst wenn er leise sprach, war er auch über eine große Entfernung hinweg deutlich zu verstehen.
„Vielleicht sollte ich Sie nicht Jake nennen? Das ist ein wenig zu persönlich, nicht wahr? Ich rede Sie besser mit Detective Dilessio an. Andererseits kenne ich Sie so gut. Ich weiß, dass Sie mir einen langsamen und qualvollen Tod wünschen; dass ich täglich an meiner eigenen Kotze ersticke. Sie tragen so viel Wut und Hass in Ihrem Herzen. Aber ich vergebe Ihnen.“
„Ich pfeife auf Ihre Vergebung“, antwortete Jake zähneknirschend. Schon wieder versuchte Bordon, ihn auf seine altbekannte Weise einzulullen. Jake schwor, sich nicht noch einmal von ihm ködern zu lassen.
Er griff in seine Tasche, holte ein Foto von dem toten Mädchen hervor und schob es über den Tisch zu Bordon. „Wie ist sie gestorben, Bordon? Und warum?“
Bordon warf einen gleichgültigen Blick auf das Bild. Dann schaute er Jake wieder in die Augen. Langsam machte er das Kreuzzeichen. „Offenbar ist sie ermordet worden, Detective, denn sonst wären Sie ja nicht hier. Warum sie sterben musste, weiß ich nicht. Ich werde für ihre Seele beten.“
„Man hat ihr die Kehle aufgeschlitzt und die Ohren abgeschnitten. Ihre Fingerkuppen wurden ebenfalls abgetrennt. Ihr Tod war sehr qualvoll. Genauso wie bei den Frauen, die vor fünf Jahren gestorben sind.“
„Ich habe niemals jemanden umgebracht.“
„Sie haben die Morde befohlen.“
„Nein, Detective, da irren Sie sich. Ich würde niemals einem Menschen befehlen, einen Mitmenschen umzubringen.“
Jake schüttelte den Kopf. „Wir können es zwar nicht beweisen, aber wir wissen alle, dass Sie mit dem oder den Tätern gemeinsame Sache gemacht haben.“
„Vielleicht war ich wütend auf die Frauen, die gestorben sind … oder vielleicht habe ich sie nicht besonders gemocht. Obwohl ich auf Grund meines tiefen Glaubens niemals meinen Gefühlen freien Lauf lassen würde, hat irgendjemand bemerkt, wie enttäuscht ich von diesen Frauen war … und sie mussten deshalb sterben.“
Jake beugte sich nach vorne. „Papa Pierre. So hat man Sie doch genannt? Die Dummen und die Verlorenen haben sich um Sie geschart und an Ihren Lippen gehangen. Sie haben Ihnen jedes Wort abgekauft – Ihre Predigten über das Glück der Unsterblichkeit, die denen winkte, die zu Lebzeiten an Sie glaubten. Wenn sie alles, was sie hatten, der Kirche geben – das heißt, Ihrer Kirche, und sich ganz Ihnen anvertrauten.“
Bordon lächelte müde. Plötzlich wirkte er niedergeschlagen, und der hypnotische Blick war aus seinen Augen verschwunden. „Ich habe ein paar Menschen um ihren Besitz gebracht. Ich habe mich des Betrugs und der Steuerhinterziehung schuldig gemacht. Dafür sitze ich jetzt meine Strafe ab. Es stimmt, dass ich mit ein paar Frauen Sex hatte. Nun gut, vielen Frauen. Sehr vielen wunderschönen Frauen. Sind Sie eifersüchtig, Jake? Das brauchen Sie nicht. Sie stinken förmlich nach Testosteron. Die Frauen müssen doch die Hand nach Ihnen ausstrecken, wenn Sie an ihnen vorbeigehen. Missgönnen Sie mir doch nicht mein kleines fleischliches Vergnügen. Wir wissen schließlich beide, dass es nicht gegen das Gesetz ist, wenn zwei Erwachsene Sex miteinander haben.“
Jake lehnte sich zurück. Bordon hatte sich kein bisschen verändert. Jedes seiner Worte, jede seiner Lügen kamen heiter und gelassen von seinen Lippen. Er hielt Bordons Blick stand und sagte lange nichts. Schließlich fragte er: „Was ist mit Nancy passiert?“ Seine Stimme war ebenso leise und schneidend wie die von Bordon.
Bordon schaute ihn kopfschüttelnd an. „Jake, Jake, Jake. Sie klingen wie eine gesprungene Schallplatte. Sie war Ihre Kollegin, aber sie hat Sie nicht begleitet, als Sie mich in die Zange nehmen wollten. Ich wusste trotzdem über sie Bescheid. Sie war Computerspezialistin, nicht wahr? Beim Verhör stellte sich dann heraus, dass sie den
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