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Am Anfang war der Tod

Am Anfang war der Tod

Titel: Am Anfang war der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Graham
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musste gewusst haben, dass sie in die Gerichtsmedizin ging, und sie hatte ihm nichts davon gesagt.
    Viel hatten sie ja ohnehin nicht miteinander geredet.
    Verdammt!
    Als er in den Seziersaal zurückging, war er gespannt auf ihre Zeichnungen.
    Sie hatte ziemlich viele angefertigt. Und alle waren gut. Alle zeigten eine lebendige, atmende junge Frau, die sehr attraktiv gewesen war. Bestimmt war sie von jemandem geliebt worden. Dieser jemand hatte es sicher nicht verdient, mit dem Wissen weiterleben zu müssen, dass sie auf so grausame Art ums Leben gekommen war.
    „Möchten Sie noch ein paar Änderungen? Haben Sie weitere Vorschläge, Detective?“ fragte Nightingale.
    Er hätte gerne einen Fehler entdeckt, um Kritik üben zu können.
    Doch nein, eigentlich nicht. Er wollte diesen Fall endlich lösen. Es passte ihm nur nicht, dass Ashley Montague so … so verdammt gut war.
    Andererseits brauchten sie gute Leute. Er war wohl nur deshalb so missmutig, weil er keine Überraschungen mochte.
    „Jake?“ fragte Mandy Nightingale noch einmal.
    „Nein, nein. Sie sind gut“, sagte er rasch und steckte die Skizzen zu den Unterlagen in seiner Aktentasche.
    Für die Zeichnerin hatte er kein Wort des Dankes übrig. Er wusste, dass er sich unmöglich verhielt. Stattdessen nickte er Gannet und den anderen – auch Ashley – kurz zu und verabschiedete sich. Auf dem Weg zur Tür wandte er sich noch einmal um.
    „Danke Ihnen allen. Eine der Zeichnungen werde ich an die Zeitungen geben.“
    Zu mehr konnte er sich nicht durchringen. Dann drehte er sich um und ging hinaus. Er merkte, dass er wieder eine Hand geballt hatte. Das machte ihn noch wütender.

12. KAPITEL
    A shley hätte stolz auf ihre Arbeit sein sollen. Gannet, Nightingale und Murray hatten nicht mit Lob gespart. Es sei beachtlich, wie sie aufgrund dieses entsetzlich zerstörten Gesichts eine so plastische, lebensnahe Zeichnung rekonstruiert habe.
    Das zerstörte Gesicht.
    Um Himmels willen!
    Ja, sie hatte schon viel gesehen, meistens auf Videos, und sie war auch schon bei einer Autopsie dabei gewesen. Gott sei Dank war sie niemals ohnmächtig geworden und hatte sich nie übergeben müssen. Stets hatte sie sich zusammengerissen, denn sie wusste, dass sie nur auf diese Weise den Opfern von Gewalttaten, den Überlebenden wie den Toten, einen Dienst erweisen konnte.
    Doch so etwas Entsetzliches wie die Leiche dieser unbekannten Frau hatte sie noch nie gesehen. Für Sekundenbruchteile war ihr schwarz vor Augen geworden, sie hatte den bitteren Geschmack von Galle in ihrer Kehle gespürt und das Gefühl gehabt, nicht weiteratmen zu können. Irgendwie war es ihr dann doch gelungen, die Galle hinunterzuschlucken, und sie hatte die Fingernägel in ihre Handflächen gebohrt, bis der Schmerz so groß wurde, dass die schwarzen Punkte aufhörten, vor ihren Augen zu tanzen. Sie hatte sich gezwungen, wie eine Künstlerin zu denken, sich die Gesichtszüge vorzustellen, damit sie ein möglichst lebensechtes Porträt der toten Frau anfertigen konnte. Trotzdem hatte sie zwischendurch immer wieder den Drang verspürt, Block und Bleistift hinzuwerfen und schreiend aus dem Raum zu laufen.
    Sie war nicht fortgerannt. Sie hatte die Zeichnungen zu Ende gebracht, und sie waren gut geworden. Sie war gut gewesen, und sie hätte mit dem Ergebnis ihrer Arbeit zufrieden sein sollen. Aber auf dem Weg nach Hause, wo sie unbedingt duschen und sich umziehen musste, bevor sie Jan und Karen abholte, wurde sie immer wütender auf sich, weil sie das Gefühl hatte, versagt zu haben. Zum Teufel mit ihm!
    Es tat weh, so etwas nach der vergangenen Nacht zu empfinden. Doch halt. Das war nicht mehr als eine unüberlegte Verrücktheit gewesen – so als habe man nach Luft schnappen müssen, nachdem man zu lange unter Wasser gewesen war. Er hegte bestimmt keine Gefühle für sie. Im Gegenteil – sie hatte fast den Eindruck, dass er sie immer noch nicht leiden konnte.
    Ashley stellte ihren Wagen auf ihrem Stellplatz ab, der Gott sei Dank frei war. Dabei war sie so tief in Gedanken versunken, dass sie ihre Umgebung gar nicht wahrnahm.
    „Hallo, Ashley! Herzlichen Glückwunsch!“
    Erschrocken sah sie auf. Den Mann, der an einem der Tische auf der Terrasse saß, hatte sie schon öfter gesehen. Er war etwa Mitte dreißig, hatte einen stämmigen Körper, dunkles Haar und ein sympathisches, etwas eckiges Gesicht. Sie hatte das Gefühl, dass er ihre Gedanken lesen konnte, als sie versuchte, sich daran zu erinnern, woher

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