die letzte Nacht drängten sich mit aller Macht in mein Gedächtnis. Ängstlich rechnete ich fest damit, dass Jo nicht mehr neben mir liegen würde. Bestimmt war es ihm nur um eine schnelle Nummer gegangen, und er hatte sich leise aus dem Staub gemacht. Von diesem Gedanken besessen, traute ich mich nicht, mich zu bewegen. Ich kniff die Augen fest zu. Meine Augäpfel schmerzten bereits. Einige Minuten vergingen. Mit einer Hand tastete ich schließlich langsam in seine Richtung. Vorsichtig öffnete ich doch ein Auge und schielte zu ihm hinüber.
Er lag da. Wie dumm von mir, so schlecht über ihn zu denken. Sein Atem war ruhig und gleichmäßig. Er sah wundervoll aus. Zufrieden. Der Wecker auf seinem Nachttisch zeigte 08.03 Uhr. Ich wusste, er wollte erst um halb neun aufstehen. Um ihn nicht zu wecken, versuchte ich, leise aufzustehen. Vorsichtig wollte ich ins Bad schleichen. Aber, wie das bei mir so ist: Beim ersten Schritt machte sich mein Fußgelenk bemerkbar. »Knack!!«
Erstarrt blieb ich stehen und horchte auf seine Atmung. Ruhig und gleichmäßig. Gut, er schlief noch, also weiter. Zwei Schritte später stolperte ich über seinen Turnschuh. ›Verdammt!‹
Jetzt aber schnell ins Bad. Ich drückte die Klinke. ›Oh, klar, … jetzt knarrt die Tür.‹
Ich versuchte, mich durch einen schmalen Spalt zu quetschen und stieß mir dabei den Ellenbogen am Türrahmen. ›Toll! Wenigstens habe ich auch ein paar Talente!‹
Ich horchte noch einmal angestrengt ins Zimmer. Nichts. Er schlief. Ich ging auf Toilette und machte mich frisch. Als ich mich im Spiegel ansah, stellte ich fest, dass ich ebenfalls total zufrieden aussah. Sogar richtig glücklich.
Ich lächelte noch, als plötzlich etwas laut explodierte. In meinem Kopf. Ich ging in die Knie und drückte die Hände gegen die Schläfen. Mir wurde kurz schwarz vor Augen. Ich hatte das Gefühl, mein Kopf platzte jeden Moment. Messerstiche. Ich unterdrückte den Schrei, der aus meiner Kehle herauswollte. Versuchte, mich zu konzentrieren und bis drei zu zählen. Diese Attacken waren nicht neu. Ich kannte sie. Sie kamen aus dem Nichts und verschwanden in der Regel genauso schnell. ›Eins, … zwei, … drei, … ah, besser!‹
Ich setzte mich auf den Rand der Badewanne und atmete durch. Ich zitterte, und mir war übel. Vorsichtig rieb ich die Stelle an meinem Hinterkopf. Der kleine Tumor war deutlich zu spüren. Kein Wunder, dass Jo ihn bemerkt hatte. In langsamen Intervallen gingen die Kopfschmerzen los. ›Mist, ich brauche meine Tabletten.‹
Ich trank ein paar Schlucke kaltes Wasser aus der Leitung und hockte mich auf den Klodeckel. Ich saß da und wusste nicht, was ich machen sollte. Ich dachte an Joshua und fing lautlos an zu weinen. Tränen liefen mir über die Wange und tropften am Ende des Kinns auf mein Knie. Patsch!
Mir wurde klar, dass es egal war, was Josh für mich empfand. Wenn es für mich keine Zukunft gab, gab es für uns sowieso keine …
Die Sache mit der Neugier
J OSHUA STRETA saß in der Küche seiner WG vor dem Laptop und starrte auf den Bildschirm. Langsam kehrte er in die Realität zurück. Leicht benommen schüttelte er den Kopf. Er war total in diese Geschichte abgetaucht. Als er auf die Uhr schaute, stellte er fest, dass 45 Minuten vergangen waren. Jo griff nach seinem Kaffeebecher und trank einen Schluck. Angewidert verzog er das Gesicht. Die Brühe war eiskalt.
Eigentlich hatte er nur vorgehabt, einige Fan-Mails zu beantworten. Doch er hatte den Anhang einer Mail geöffnet und begonnen, die Geschichte zu lesen. Sofort war er in ihren Bann gezogen worden. Josh stand auf, schüttete den Kaffee in die Spüle und setzte neuen auf. Seine Gedanken kreisten um diese Story. Krampfhaft wollte er sie aus seinem Kopf verdrängen, doch es gelang ihm nicht. Er ging zu seinem Laptop und schaute sich die E-Mail-Adresse noch einmal an: ›
[email protected]‹ Aber dieses Mädchen in der Geschichte hieß Nadia. Dass er gerade eine fiktive Story gelesen hatte, in der er selbst mitspielte, verwirrte ihn sehr. Es löste ein komisches Gefühl in ihm aus. Wer auch immer diese Sophie war, sie hatte über ihn geschrieben, ohne ihn zu kennen. Hatte ihn bis in kleinste Detail beschrieben und zum Leben erweckt. Jo wusste nicht, ob er das schön oder total krank finden sollte.
Endlich war der frische Kaffee durchgelaufen. Er goss seine Tasse halb voll und setzte sich wieder an den Tisch. Die Anrede der E-Mail war kurz.
Hi …
Ich möchte eine