Am Dienstag sah der Rabbi rot
auch nicht. Möglich, wenn man gegen eine Stoppuhr rennt. Genügt Ihnen das?»
«Nein, Sir», gab der Sergeant zu. «Aber Sie kennen doch den Spruch: Wenn du alles andere ausgeschlossen hast, muss das, was übrig bleibt, die Lösung sein. Andererseits, Mrs. O’Rourke kann mit der Zeit ein bisschen gemogelt haben und in Wirklichkeit ziemlich viel früher gegangen sein. Aber warum sollte sie deswegen lügen?»
Ames zuckte die Achseln. «Die schwindeln immer. Wenn sie ans Telefon gehen, während man nicht da ist, sagen sie, die Verbindung wäre schlecht gewesen, statt dass sie sich die Mühe machen, einen Bleistift zu holen und eine Nachricht aufzuschreiben. Wenn sie was kaputtmachen, verstecken sie’s, statt es einem zu sagen. Ich hatte eine, die legte Sachen, die sie kaputtgemacht hatte, an Stellen, wo ich drüber stolpern musste, damit ich denken sollte, ich wär’s gewesen.»
«Wir könnten sie nochmal fragen», schlug Schroeder vor.
Auch Ames hielt das für angebracht.
«Was ist mit dem Gerichtsarzt?», fragte der Sergeant. «Hat er zugegeben, dass er sich geirrt haben könnte?»
«Nein. Er besteht darauf, dass seine Zeitangabe stimmt.»
«Dann ergibt das alles keinen Sinn, überhaupt keinen», sagte Schroeder kopfschüttelnd.
Ames kicherte. «Sergeant, über Ärzte kann ich Ihnen was erzählen. Der Arzt ist noch nicht geboren, den ich nicht im Kreuzverhör über eine Todeszeit in Widersprüche verwickeln könnte. Natürlich tue ich das nicht. Meistens sind sie ja auch auf meiner Seite. Aber man braucht wirklich nur die einschlägige Literatur zu lesen, um zu sehen, wie viele Variationen es über den Abschied von dieser Welt gibt. In unserem Fall sagt der Arzt, der Tod wäre zwischen 14 Uhr 10 und 14 Uhr 40 eingetreten. Also fragen Sie ihn, ob es nicht ein wenig früher und ein bisschen später hätte sein können, sagen wir von 14 Uhr 05 bis 14 Uhr 45, und das muss er natürlich als Möglichkeit zugeben. Sie dehnen die Spanne also immer um fünf Minuten aus, bis er dann Einspruch erhebt und sagt, so früh oder so spät hätte es unmöglich sein können. Mittlerweile trauen ihm aber die Geschworenen schon nicht mehr so ganz. Dann fragen Sie, warum er zwischen 14 Uhr 10 und 14 Uhr 40 angegeben hätte, wenn er jetzt zugesteht, dass es zwischen Viertel vor zwei und Viertel nach drei sein könnte. Selbst wenn es ihm gelingt, sich zu beherrschen – die Chance, dass er das nicht kann, ist groß –, werden die Geschworenen ihn nicht für einen sehr objektiven, wissenschaftlichen Zeugen halten, sondern annehmen, er versuchte nur, der Partei zu helfen, von der er bezahlt wird.»
«Donnerwetter!»
«Aber, Sergeant», sagte Ames kichernd, «das sind nur juristische Feuerwerke. Wenn er ein guter Mann ist, der was von seinem Beruf versteht, würde ich merken, dass er die Wahrheit sagt, selbst wenn ich ihn im Zeugenstand zu Hackfleisch verarbeite.»
Schroeder war nun doch sehr verwirrt. «Irrt er sich denn nun oder nicht?»
«Das ist das große Problem, Sergeant. Wenn der Gerichtsarzt nämlich Recht hat, dann war es nicht die Explosion, die die Büste zum Fallen gebracht hat, sondern etwas anderes. Ich habe schon an Erschütterung durch einen vorbeifahrenden schweren Laster gedacht oder um den Schallmauerdurchbruch eines Düsenflugzeugs – aber so etwas muss schon öfter vorgekommen sein, und die Büste ist dabei nie umgekippt. Nein, nein, es deutet alles darauf hin, dass jemand das Ding heruntergezogen hat. Absichtlich. Und das ist Mord, nicht die Folge einer verbrecherischen Tat, sondern glatter, klarer Mord.»
«Wir könnten in Hendryx’ Vergangenheit nachforschen, ob es jemand gibt, der ihm den Tod wünschen könnte», schlug der Sergeant vor.
Ames nickte heftig. «Ja, tun Sie das. Unbedingt. Ich würde jeden vernehmen, der an dem Nachmittag im Haus war. Ich würde mir auch die Leute aus der englischen Abteilung vornehmen. Ganz besonders würde ich mich dafür interessieren, warum er nicht wie jeder andere seinen Schreibtisch im großen Büro der Abteilung hatte.»
«Sehr wohl, Sir, ich werde mich darum kümmern.»
32
Dean Hanbury strickte gemächlich vor sich hin, während sie die Fragen des Sergeant beantwortete. «Warten Sie … zwischen 14 und 15 Uhr war ich natürlich hier und habe auf die Studentendelegation gewartet. Präsident Macomber könnte in seinem Büro gewesen sein, aber meine Sekretärin geht freitags schon um zwölf. Dann war Rabbi Small da und natürlich seine Studenten.»
«Er hat
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