Am Dienstag sah der Rabbi rot
gut», lobte Ames. «Sind Sie mit dem College schon durch?»
«Nein, es fehlen noch Professor Fine, der Rest der Studenten des Rabbi und natürlich der Rabbi selber. Mit dem werde ich mich wohl etwas näher befassen müssen.»
«Mit dem Rabbi?» Ames sah erstaunt auf.
«Ganz richtig. Der hat ’ne Menge zu erklären. Ich hab Ihnen doch erzählt, dass er damals nicht mit mir reden wollte, weil Sabbat war. Na, und als er sich dann endlich dazu bequemt, erwähnt er kein Wort darüber, dass er schon nach zehn Minuten nach Kollegbeginn aus seiner Klasse davongelaufen ist.»
«Und warum messen Sie dem so große Bedeutung zu?»
«Überlegen Sie doch, Sir. Wenn er seine Klasse kurz nach eins, das Haus aber erst nach zwei Uhr verlassen hat, dann war er über eine Stunde mit Hendryx zusammen. Bitte, was haben sie in der Zeit gemacht?»
«Was am naheliegendsten ist – geredet.»
«Jawohl!» Schroeder schien dies als verdächtig anzusehen. «Und nun erinnern Sie sich an die Aussage dieser Miss Barton. Hendryx war ein Antisemit.»
«Worauf wollen Sie hinaus, Sergeant?»
«Also: wenn der Rabbi zugibt, gegen zehn nach zwei gegangen zu sein, und der Arzt die Todeszeit zwischen zehn nach zwei und zwanzig vor drei festlegt, und der Rabbi bis zu diesem Zeitpunkt mit Hendryx allein war, mit Hendryx, einem bekannten Antisemiten, und er dazu noch ein Rabbi … Nehmen wir an, sie haben gestritten. Nehmen wir an, der Arzt liegt mit der Zeit nicht ganz richtig. Es geht um die zehn oder fünfzehn Minuten, von denen Sie selber gesprochen haben – nur, dass es früher ist, nicht später. Sir, wenn nun gar kein Plan erforderlich gewesen wäre, wenn es eine spontane Handlung …»
Bradford Ames starrte ihn an, als sähe er ihn zum ersten Mal. Schroeder hatte es offenbar noch nicht verwunden, dass der Rabbi sich anfangs geweigert hatte, mit ihm zu sprechen.
«Und wie zieht er den Gipskopf herunter, Sergeant?», fragte Ames sanft. «Haben Sie darüber nachgedacht?»
«Hab ich», sagte Schroeder. «Auf den Regalen liegen alte Bücher und Hefte. Nehmen wir an, der Rabbi entdeckt ein Buch, das er lesen oder ansehen will. Wenn es auf dem obersten Bord steht, muss er raufklettern. Er klettert also rauf und ist direkt neben der Büste. Dann braucht er ihr nur einen kleinen Stoß zu geben. Vielleicht war es ja auch wirklich nur ein Unfall.» Er hatte plötzlich einen Gedanken. «Vielleicht wollte er deswegen zu Dean Hanbury, um ihr zu sagen, es sei ein Unfall passiert, und sie solle einen Arzt rufen. Aber sie macht ihm die Tür vor der Nase zu. Er muss natürlich ganz durcheinander gewesen sein. Und jetzt frage ich Sie: Geht ein Mann, der gerade so etwas erlebt hat, direkt nach Hause?» Er schüttelte den Kopf. «Nein, Sir. Er fährt eine Weile herum und versucht, sich klar zu werden, was er tun soll. Darum ist er so spät nach Hause gekommen. Und dann, als ich angerufen habe, hatte er schon von der Bombenexplosion gehört. Klar, dass er nicht mit mir reden wollte, ehe er einen festen Plan hatte.»
«Aber –»
Der Sergeant beugte sich aufgeregt vor. «Jetzt kommt der Knüller! Erinnern Sie sich, was für Gedanken wir uns gemacht haben, wie der Mörder hereingekommen ist, ohne dass Hendryx aufstehen musste, um ihm die Tür zu öffnen? Bitte, es gibt eine Person, die das konnte, und das ist der Rabbi. Weil er selber einen Schlüssel hatte! Oh, ich habe eine Menge Fragen für den Rabbi –»
«Nein.»
«Nein?»
«Nein, Sergeant, ich werde mit ihm sprechen.»
33
Nur ein paar der engsten Freunde der Selzers waren gekommen, um ihnen zur Freilassung ihres Sohnes zu gratulieren. Jetzt lauschten sie dem Vater in verzückter Aufmerksamkeit.
«Und da kommt der Rabbi, und ich offeriere ihm eine Tasse Kaffee. Dabei hatte ich zu der Zeit gar keine Lust, Besucher zu bewirten, versteht ihr. Aber wenn ich der Chefin erzählt hätte, der Rabbi wäre gekommen und ich hätte ihm nichts angeboten, Mann, hätte ich was zu hören bekommen!» Er sah liebevoll seine Frau an, die neben ihm auf dem Sofa saß und seine Hand streichelte.
«Aber er sagt, er hat’s eilig und kann nicht lange bleiben. Und dann sagt er: ‹ Ich glaube, es wäre eine gute Idee, wenn Sie mal mit Mr. Goodman sprächen. Sagen Sie ihm, er soll einen Antrag auf Freilassung Ihres Sohnes stellen; er soll selber bürgen oder eine mäßige Kaution anbieten.› Einfach so. – Nun hab ich aber, seit uns das geschehen ist, von allen Leuten gute Ratschläge bekommen. Nicht nur von Freunden
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