Am Dienstag sah der Rabbi rot
gesehen, wie Sie die Tür zugemacht haben.»
Sie lachte. «Oje, hat er das gesehen? Das tut mir Leid. Es war nicht sehr nett von mir. Er ist ein reizender Mensch, aber er nimmt alles so ernst. Jeden Freitag kommt er herein, um mir zu erzählen, wie wenige wieder an seinem Kursus teilgenommen haben. An diesem Freitagmittag wollte ich wegen des Treffens mit den Studenten, und weil der Vormittag so hektisch gewesen war, einfach niemand mehr sehen.»
«Können Sie mir was über Professor Hendryx erzählen?»
«Was, zum Beispiel, Sergeant?»
«Na, über sein Privatleben, seine Freunde, seine engsten Mitarbeiter –»
Sie schüttelte bedauernd den Kopf. «Ursprünglich stammt er aus meiner Heimatstadt, Barnard’s Crossing. Ich kenne ihn seit frühester Jugend. Er war natürlich viel älter als ich, aber in einer kleinen Stadt kennt jeder jeden. Als wir ihn bei uns angestellt haben, haben wir seine akademische Laufbahn sehr gründlich überprüft, aber das ist alles. Er hat irgendwo im Westen noch Angehörige. Hier hatte er als Junggeselle keine engen Kontakte.»
Als Antwort auf ein lebhaftes «Herein!» betrat Sergeant Schroeder das Büro von Präsident Macomber, der gerade dabei war, einen Golfball über den Teppich in Richtung auf ein umgekipptes Wasserglas am anderen Ende des Zimmers zu schlagen. «Ah, Sie sind das. Ich dachte, es wäre meine Tochter. Was kann ich für Sie tun?»
«Wir sammeln noch ein paar letzte Auskünfte und überprüfen noch einmal alle Aussagen von Personen, die so zwischen zwei und drei Uhr noch im Hause waren.»
«Oh, ich war auch hier. Ich muss ein paar Minuten vor oder nach halb drei gegangen sein.»
Er hob das Glas auf und ließ den Ball in die Hand rollen. Er wollte schon das Glas wieder auf den Teppich legen, überlegte es sich dann anders und stellte es auf den Schreibtisch. Dann schob er den Golfball in die Tasche und setzte sich. Den Schläger hielt er immer noch in der Hand. «Das ist eine unglückselige Geschichte, Sergeant. Wissen Sie, Dean Hanbury war andauernd hinter mir her, ich sollte Hendryx zum Leiter der englischen Abteilung ernennen. Er war nur kommissarischer Leiter. Und ausgerechnet an dem Morgen habe ich ihr mitgeteilt, ich würde ihn befördern. Da sieht man mal wieder die Bestätigung des alten Spruchs: Der Mensch denkt und …»
Sergeant Schroeder sagte, davon habe Dean Hanbury ihm gegenüber aber nichts erwähnt.
«Na, das ist doch klar. Unter den Umständen, und nachdem es nicht öffentlich bekannt gegeben worden war, warum sollte sie? Außerdem meinte sie sicher, das wäre meine Sache.»
«Ja, das denke ich mir auch», sagte der Sergeant. «Wie ist das, können Sie mir was über Professor Hendryx’ Privatleben, seine Beziehungen zu anderen Kollegen oder zu Studenten und besonders zu Studentinnen erzählen? Er war ja schließlich Junggeselle und lebte allein –»
«Die Frage kann ich Ihnen beantworten, Sergeant», sagte Betty Macomber, die gerade das Büro betreten und seine Frage mitgehört hatte. «Professor Hendryx hatte keine Beziehungen der Art, wie Sie sie andeuteten. Ich kannte ihn sehr gut und habe ihn sehr oft gesehen. Wir wollten nämlich heiraten.»
Mary Barton, sehr bald schon Dr. Barton, plauderte ohne jede Bosheit oder Hemmung drauflos. «Ach, ich mochte ihn, aber er war nicht jedermanns Geschmack. Er wurde leicht scharf und sarkastisch und machte gern spitze Bemerkungen, die die Leute verärgerten. Mich hat das nie gestört. Im Gegenteil, mich amüsiert so was. College-Professoren geben sich oft so überheblich, und unsere Abteilung ist da keine Ausnahme, und ich fand es lustig, wenn er ihre kleinen Eitelkeiten bloßstellte … Nein, gehasst hat ihn wohl keiner, aber als er ankündigte, er zöge aus dem großen Büro aus, hat ihn bestimmt niemand zum Bleiben überredet … Wie ich das meine? Na, zum Beispiel hat Professor Hallett mal erwähnt, er wolle in Urlaub fahren, worauf Hendryx bemerkte: ‹Davon werden ihre Studenten aber sicher profitieren.› Und dann hat er die Juden immer gefrotzelt. Als er in einem Kurs auf den Kaufmann von Venedig zu sprechen kam, hat er gesagt: ‹ Na, da werde ich von den Auserwählten aus meinem Kurs viel Interessantes zu hören bekommen.› Wir haben im Kollegium unter den Jüngeren zwei oder drei Juden.» Sie lachte. «Wissen Sie, als ich in den fünfziger Jahren hier angefangen habe, war es allgemeine Politik, in der englischen Abteilung keine Juden einzustellen. Mathematik,
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