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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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lachte.
    «Natürlich war das eine gefühlsmäßige Entscheidung. Denn genau genommen konnte ich die Auslegung Schroeders nicht mit gutem Gewissen so einfach von der Hand weisen. Ein ungebildeter Mensch wird für seine verdächtigen Handlungen die Erklärung liefern, die ihm plausibel erscheint, aber sie wird auffällige Lücken haben, und wir werden sie einfach wegen ihrer inneren Widersprüche widerlegen können. Ein intelligenterer Mensch wird mit einer Erklärung aufwarten, die weder auffällige Lücken noch Widersprüche enthält. Sie muss nicht notwendigerweise unseren Verdacht beseitigen, aber wir werden wahrscheinlich zusätzliche Beweise finden müssen, um sie zu widerlegen.» Er machte eine Pause. «Ein ungewöhnlich intelligenter Mensch, Rabbi, könnte eine ganz und gar unwahrscheinliche Erklärung abgeben.»
    «Soll das alles heißen, dass ich immer noch unter Verdacht stehe?», fragte der Rabbi.
    Ames schüttelte den Kopf. «Nein, Sie haben Ihre Unschuld bewiesen, als Sie den Widerspruch zwischen dem gerichtsärztlichen Befund und der Aussage der Putzfrau aufzeigten. Wenn Sie schuldig wären, wäre es sinnlos gewesen darzulegen, dass das Buch und die Pfeife in Hendryx’ Wohnung ein Alibi waren, und das gleich darauf wieder zu entkräften.»
    «Na, es ist schon eine Erleichterung zu wissen, dass ich nicht verdächtig bin, obwohl es mir nie aufgegangen ist, dass ich jemals zu den Verdächtigen gehörte. Aber Sie sagten eben, Sie hätten begonnen, Roger Fine zu verdächtigen, als Sie dabei waren, mich zu überprüfen.»
    «Das stimmt. Sie haben uns darauf gebracht, uns Gedanken zu machen, wie die Büste heruntergefallen sein könnte, nachdem es nicht die Erschütterung durch die Explosion verursacht haben konnte. Sie könnte von jemand heruntergestoßen worden sein, der am Regal hinaufkletterte, aber das ist nicht sehr wahrscheinlich. Einmal ist sie ganz schön schwer; mehr als zweiundsechzig Pfund kippt man nicht durch eine ungeschickte Handbewegung um. Und Hendryx hätte auch nicht einfach still gesessen und sich das angesehen.»
    «Das ist mir sofort eingefallen, als Sie zum ersten Mal davon sprachen», sagte der Rabbi. «Darauf hatte ich meine Verteidigung aufgebaut.»
    Ames nickte. «Also, wie ist sie dann heruntergeholt worden? Wir haben die Scherben zusammengekittet und experimentiert. Mit einem Stock ging es nicht, da hat man keinen Ansatzpunkt. Wenn man einen langen Stab hätte, mit einem Haken, zum Beispiel wie man ihn für das Öffnen von hohen Fenstern benutzt, hätte man ihn dahinter schieben und dann ziehen können. Das würde gehen, aber dann stürzt das Ding zur Seite ab. Nur mit einem Stock mit einer Krümmung am Ende –»
    «Ein Stock mit einer Krümmung?»
    «Ja, einem Spazierstock. Damit ist es ein Kinderspiel. Man schiebt nur die Krücke dahinter und zieht. Damit wäre das ‹Wie› erklärt. Die Gelegenheit: Er war zur fraglichen Zeit im Haus. Und die Waffe –»
    «Die Waffe war die Büste, und die konnte jeder benutzen», widersprach der Rabbi.
    Ames schüttelte den Kopf. «Ja, sicher, sie war dort, aber nur für einen Mann mit Spazierstock benutzbar. Professor Fine ist der einzige Mann im College, der zu jeder Zeit einen Stock mit sich trägt.»
    Der Rabbi blieb einen Augenblick stumm und fragte dann: «Und das Motiv? Was für ein Motiv hatte er?»
    Ames wehrte mit einer Handbewegung ab. «Wer weiß schon, was einen Menschen in Wirklichkeit motiviert? Häufig weiß er das selber nicht. Wir können nur vermuten oder raten – bis er gesteht. Wir wissen, dass sie Streit gehabt haben, dass Fine ihn für einen Antisemiten hielt –»
    «Er machte kleine, spitze Bemerkungen, gelegentlich einen Scherz, nichts, das mehr als eine scharfe Entgegnung rechtfertigte», wandte der Rabbi ein.
    «Von Ihnen. Aber Professor Fine ist jünger als Sie. Trotzdem schließe ich mich Ihnen an: das ist kein Motiv für einen Mord. Dann aber haben wir diesen Ekko aufgegriffen, das fünfte Mitglied der Studentengruppe; nach einiger Zeit hat er ausgepackt. Es stellte sich heraus, dass Professor Fine das Treffen der Delegation mit dem Dean wie auch die ganze Studentenkampagne gegen seine Entlassung verhindern wollte.»
    «Aber warum denn?», fragte der Rabbi.
    «Ja», sagte Ames, «das konnten wir auch nicht verstehen. Bis Ekko mit etwas herausrückte, das Fine ihm im Vertrauen mitgeteilt hat. Sehen Sie, am Ende des Sommerkursus hat Fine einer Studentin die Examensfrage verraten. Hendryx hat das entdeckt und

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