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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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sind, den wahren Glauben zu haben, dann müssten Sie es doch jedem, der dazu übertreten möchte, schuldig sein, ihm den rechten Weg zu zeigen, ihn zu überzeugen, ihm die Rettung zu bieten.»
    «Aber wir haben es nicht mit der Rettung, Miss Dunlop.»
    «Nein? Aber Sie bekehren doch Menschen. Ich weiß das, weil ich jemand kenne.»
    «Ja, wir tun das, aber wir fördern es nicht. Es ist nicht leicht, Jude zu sein, und darum versucht der Rabbi, es ihnen zu ihrem eigenen Besten auszureden. In der Theorie sollen wir niemand bekehren; es sei denn, dass jemand aus innerer Überzeugung danach verlangt. Auf jeden Fall nicht einfach deshalb, weil jemand einen Juden heiraten möchte.»
    «Ja, aber wenn jemand in einen Juden verliebt ist und mit ihm – wissen Sie, alles mit ihm teilen möchte und so denken wie er – nein, ich finde das wirklich nicht fair!» Sie begann von neuem: «Ich meine, wenn Sie was wissen, was ich nicht weiß, und Sie glauben, es ist die Wahrheit, sollten Sie dann nicht den Wunsch haben, es mir zu sagen? Könnte die Liebe dieses Mädchens zu dem Jungen – könnte das nicht der Anfang sein, dass sie konvertiert, nein, dass sie überzeugt wird?»
    «Ja. Ich glaube auch, dass das die Begründung ist, die die meisten Rabbis bei solchen Fällen angeben.» Er seufzte. Wie sollte er es diesem so ernsten und so eifrigen Mädchen beibringen? Er überlegte, ob sie schwanger sein könnte und ob das, was er sagen würde, notwendig wäre, ihr zur Lösung ihres dringendsten Problems zu helfen. «Warum tragen Sie dieses Kreuz?»
    «Oh, stört Sie das?»
    «Nein. Ich habe mir nur Gedanken gemacht. Tragen Sie es immer oder nur heute?» Er hätte gern gewusst, ob sie es als Talisman betrachtete, der sie schützen sollte, wenn sie mit einem Rabbi sprach.
    «Ich trage es, weil ich Christin bin», sagte sie. «Das habe ich Ihnen doch gesagt.»
    «Ja, aber die meisten Christen tragen keine großen Silberkreuze.»
    «Es ist ein Geschenk, ein besonderes Geschenk meines Vaters. Er ist Geistlicher. Er bekehrt immerzu Leute. Ich meine, das gehört zu seinem Beruf, dass er Menschen zu Jesus bekehrt.»
    «Und wie bekehrt er sie?», fragte der Rabbi.
    «Er predigt ihnen. Er überzeugt sie, dass sie durch Jesus zu besseren Menschen werden, dass sie wie neugeboren sein werden und frei von ihren Sünden.»
    «Und was müssen sie tun?»
    «Sie müssen nur Jesus annehmen. Mehr braucht es nicht – sie müssen den Willen haben, Jesus anzunehmen, ihre Herzen zu öffnen und Ihn hereinkommen zu lassen; denn wenn jemand an Ihn glaubt, ist das schon fast alles, was nötig ist.»
    «Ja, das ist bei uns etwas anders», sagte er. «Wissen Sie, in dem Sinn haben wir keine Religion. Die Dinge, an die wir glauben, glauben auch viele Menschen, die keine Juden sind. Aber das macht sie deswegen nicht zu Juden. Und es gibt viele Juden, die nicht daran glauben, aber trotzdem Juden sind. Die Faustregel geht so: Jeder, der von einer jüdischen Mutter geboren ist, die nicht zu einer anderen Religion übergewechselt hat, ist Jude. Es ist mehr die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk, zur Familie, als das Annehmen eines bestimmten, spezifischen Glaubens.»
    «Das verstehe ich nicht. Wenn es eine Religion ist –»
    «Haben Sie mal römische Geschichte gelernt?»
    Das überraschte sie. «Ja, in der High School. Aber was hat das damit zu tun?»
    «Wissen Sie, was die Laren und die Penaten waren?»
    «Warten Sie mal», sagte sie, als wäre sie gerade in der Schule drangekommen. «Waren das nicht Idole oder Statuen, die die Römer in ihren Häusern hatten?»
    «So was Ähnliches», sagte der Rabbi. «Sie waren die Hausgötter, die Familiengötter. Die Götter, die eine bestimmte Familie mit sich nahm, wo immer sie hinging. Sehen Sie, Miss Dunlop, ein bisschen ist das bei uns auch so. Der Judaismus ist eine Familienreligion. Es ist eine Zusammensetzung von Überzeugungen, Praktiken, Riten, eine Lebensweise, die uns eigen ist, unserer Familie, den Nachkommen Abrahams. Die Bekehrung ist wie eine Adoption in die Familie. Der Konvertit nimmt sogar einen neuen Namen an, einen jüdischen Namen, bei einem Mann ist es gewöhnlich Abraham, Sarah bei einer Frau.»
    «Also, was muss man dann tun?», fragte sie nun ungeduldig. «Um adoptiert zu werden, meine ich.»
    «Zuerst», sagte er, «müssen Sie die Bräuche und die Riten lernen.»
    «Kennen die alle Juden?»
    «Nein», gestand er, «aber von Konvertiten wird es verlangt.»
    «Dauert das lange?»
    «Monate, manchmal

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