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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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Wenn wir auch über Prinzipien verschiedener Meinung waren, so achteten sie mich doch. Aber dies – ach, das war schon wie eine Demonstration. Gegen mich persönlich gerichtet – von meiner eigenen Gemeinde.»
    «Einige von diesen Frauen sind nicht mal Mitglieder der Gemeinde.»
    «Andere aber doch.»
    Sie war verwirrt. «Versuchst du zu sagen, David, dass du das Rabbinat leid bist?»
    Er lachte verbittert. «Nein, aber das würde ich auch gern mal versuchen.»
    «Was meinst du denn?»
    Er stand auf und ging im Zimmer herum. «Mein Großvater war Rabbiner einer kleinen orthodoxen Gemeinde. Der hielt keine kleinen Ansprachen vor Bar-Mitzwa-Knaben. Er ist während der Feiertagsgottesdienste nicht aufgestanden, um die Seiten im Gebetbuch anzusagen. Er hat sein Leben größtenteils mit Studien verbracht. Wenn jemand in seiner Gemeinde eine Frage hatte, die die Religion betraf, kam er zu ihm, und er forschte im Talmud und beantwortete sie. Wenn es zwischen zwei oder mehr Mitgliedern der Gemeinde zu einem Streit kam, gingen sie zu ihm, und er hörte alle Seiten an und sprach Recht. Und sie hielten sich an seinen Spruch. Er verrichtete die traditionelle Arbeit eines Rabbiners.»
    «Aber dein Vater –»
    «Mein Vater ist ein konservativer Rabbi. Er hat eine alte, eingesessene Gemeinde, die Gefühl und Verständnis für die Aufgaben des Rabbiners hat; die Menschen vertrauen ihm uneingeschränkt. Sie sind nicht zu ihm gegangen, um seinen Richtspruch zu erbitten, und die Fragen, die meinem Großvater vorgelegt wurden, interessieren sie nicht sonderlich, aber ihre jüdische Religion ist ihnen wichtig, und sie verlassen sich auf die Führung meines Vaters.»
    «Ja, aber ist das nicht das, was du auch tust?»
    «Was ich zu tun versucht habe. Es ist das, was ich tun würde, wenn die Gemeinde mich nur ließe. Aber sie hindern mich auf Schritt und Tritt. Erst glaubte ich, ich könnte sie allmählich gewinnen, um ihnen dann so zu dienen, wie mein Vater seiner Gemeinde gedient hat.»
    «Aber –»
    «Aber jetzt sehe ich, dass das Rabbinat nicht das ist, wofür ich es gehalten habe.»
    Sie sah ihn an. Er wirkte entmutigt.
    «Von Generation zu Generation verändert sich alles, David», begann sie leise. «Du bist Rabbiner geworden, weil dich das Richteramt deines Großvaters inspirierte. Wie ist es denn mit dem Arztsohn, der sich berufen fühlt, Mediziner zu werden, durch das Beispiel seines Vaters, der die Nacht am Bett eines Schwerkranken durchwacht? Heute muss er sich spezialisieren, muss Ordinationszeiten an fünf Tagen der Woche einhalten und hat den Mittwochnachmittag frei. Statt einen Menschen zu behandeln, gibt er sich mit einer Kette von Mägen oder Herzen ab. Und bei den Handwerkern ist es ebenso. Als Mr. Macfarlane neulich hier war, um die Fenster in Ordnung zu bringen, hat er mir erzählt, sein Vater hätte das Haus, in dem sie wohnen, ganz allein gebaut. Und während des Winters hat er auch noch viele Möbel selber getischlert. Aber unser Mr. Macfarlane macht – abgesehen von kleinen Reparaturarbeiten am Rande – nichts anders als Fußbödenlegen. Die Methoden ändern sich, aber die Berufe nicht. Ärzte heilen immer noch Kranke, Tischler bearbeiten Holz, und Rabbis leiten ihre jüdische Gemeinde und sorgen dafür, dass sie jüdisch bleibt. Und was ist mit den Lehrern?»
    «Ich hab nicht das Gefühl, auf dem Gebiet erfolgreich tätig gewesen zu sein», sagte er düster.
    «Jetzt redest du Unsinn!», fuhr sie hoch. «Du bist ein ausgezeichneter Rabbi und auch ein ausgezeichneter Lehrer. Mit deiner Gemeinde hast du Schwierigkeiten, weil du ein guter Rabbi bist.»
    «Was meinst du damit?»
    «Wenn du nur mit deiner Gemeinde gut auskommen willst, wenn du populär sein willst, David, dann gehst du auf sie ein, statt sie zu führen und zu leiten. Du darfst sie nie vor harte Wahrheiten stellen. Und wenn ein Lehrer bei seiner Klasse beliebt sein will, dann versucht er nicht, sie zum Lernen zu zwingen.»
    «Ja, natürlich …»
    Aber sie sah nun, dass sich seine Stimmung gewandelt hatte. Mit einer großartigen Missachtung aller Logik sagte sie: «Und du brauchst Fine auch nicht im Gefängnis zu besuchen, wenigstens nicht gleich. Ich könnte mir denken, dass es besser wäre, erst mit diesem Bradford Ames zu sprechen und die Lage zu klären. Schließlich ist er dir was schuldig, weil du ihm mit den Selzers geholfen hast.»
    Der Rabbi überdachte das. «Ich könnte es versuchen.»
    «Dann ruf ihn doch gleich zu Hause an. Es kann

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