Am Ende bist du mein
Besseres zu tun hatte, als ungeladen während der Hochzeitsfeier zu erscheinen? Aber wäre sie so weit gegangen, diese Frauen zu töten? Oder womöglichsogar den Mann umzubringen, der zum Pflegefall geworden das Leben ihrer Tochter ruinierte?
Nachdem Gage sich verabschiedet hatte, saß Adrianna noch eine Weile in ihrer Küche, nippte an einem zweiten Glas Wein und fragte sich, wie gut sie ihren Mann wirklich gekannt hatte.
Es kam selten vor, dass sie sich in einem anderen Menschen täuschte, und Craig war ihr immer wie ein offenes Buch erschienen. Andererseits hatte er ihr seine Schulden verschwiegen, und dass er sie betrog, hätte sie schon gar nicht für möglich gehalten. Aber hieß das auch, dass er imstande war zu morden?
Sie zuckte zusammen, als die Hintertür klapperte, doch es war nur der Nachtwind, der ums Haus fegte. Fröstelnd vergewisserte sie sich, dass sämtliche Türen im Haus verriegelt waren und zog sich in ihr Schlafzimmer zurück. In dem Zimmer waren die Wände blassblau gestrichen, und in der Mitte befand sich ein antikes dunkles Bett mit vier Pfosten, die einen Baldachin trugen. In dem Bett hatte Adrianna schon als Kind geschlafen, doch statt der rosafarbenen Bettwäsche mit den verspielten Mustern für kleine Mädchen lagen darauf inzwischen eine cremefarbene Tagesdecke aus Leinen und weiße Batistkissen mit Lochstickerei. Das Bett wurde von zwei zierlichen Nachttischen aus demselben dunklen Holz flankiert, an den Fenstern fielen weiße Gardinen lang zum Boden, und auf dem antiken Sekretär stand eine Vase mit Margeriten. Lediglich das abstrakte blaue Gemälde eines hiesigen Künstlers verlieh dem Raum einen modernen Touch.
Adrianna räumte die Kissen vom Bett auf den Sessel vor dem Sekretär und fühlte sich mit einem Mal dermaßen erschlagen, dass sie sich zwingen musste, noch einmal insBad zu gehen, sich abzuschminken, auszuziehen und ihr Nachthemd überzustreifen. Gleich darauf fiel sie ins Bett, schlug die Decke über sich und seufzte erleichtert. Schlafen, dachte sie, ich will nur noch schlafen, einen ganzen Monat lang oder auch mehr.
Craig kam auf sie zu, berührte zärtlich ihr Gesicht und strich über ihre Wange. «Gage» , sagte Adrianna. «Endlich.»
Craigs Hand fuhr in ihr Haar, drehte es fest zusammen und riss ihren Kopf zurück. Sein Gesicht verzerrte sich, und sie spürte seinen heißen Atem.
«Du Schlampe» , sagte er. «Du Hure.»
Adrianna umklammerte seine Hände und wand sich unter seinem Griff. «Lass mich» , keuchte sie. «Du bist tot.»
Craig legte den Kopf in den Nacken und lachte. «Das hättest du wohl gern.»
Die Worte, durchsetzt von seinem Gelächter, brandeten wie ein Echo zurück. Adrianna hielt sich die Ohren zu und murmelte: «Du bist tot.»
«Das bin ich nicht» , sagte er und stierte sie böse an. «Ich könnte dich töten.»
«Nein» , flüsterte Adrianna. «Ich habe dir nichts getan.»
«O doch.» Craig führte die Lippen an ihr Ohr und raunte: «Für deine Untreue wirst du büßen.»
Schweißgebadet fuhr Adrianna auf, strich sich mit zitternden Händen die Haare aus dem Gesicht und knipste ihre Nachttischlampe an. Dennoch dauerte es eine Weile, bis sie sich wieder beruhigt hatte.
Craig verließ die Hauptstraße, schaltete die Scheinwerfer seines Wagens aus und kroch in der Dunkelheit über einen Waldweg, der zur Mülldeponie führte. Das Eingangstor warabgesperrt, doch das spielte keine Rolle. Ohnehin hatte er nicht vorgehabt, am Häuschen des Wärters vorbeizufahren. Den Wagen stellte er auf einem Seitenweg ab.
Die Leiche hatte er hinten im Wagen unter einer alten blauen Decke verborgen. Die Frau war eine Enttäuschung gewesen. Bei den anderen hatte er wenigstens den Verlust bedauern können, aber die hier wollte er einfach nur vergessen.
Sie konnte dankbar sein, dass er sie ganze vier Tage lang bei sich behalten hatte.
Schwerfällig hievte er sich aus dem Wagen und verfluchte die feuchte Nachtluft, bei der ihm seine Hüfte zu schaffen machte. Nicht mehr lang, und es würde anfangen zu regnen. Dank der Scheißhüfte brauchte er keinen Wetterbericht mehr.
Dann ging er nach hinten und zog die Daunendecke zurück. Die Frau lag zusammengerollt auf der Seite, die Hände auf dem Rücken gefesselt, und roch bereits ekelhaft nach Tod. Die Leichen loszuwerden war nie ein Vergnügen, aber er konnte sie ja nicht gut zu Hause in die Mülltonne stopfen. Mit zusammengebissenen Zähnen hob er die Tote hoch. Obwohl sie nicht allzu viel
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