Am Ende bist du mein
weder zwölf Uhr nachts noch mittags war. Verwirrt sank sie zurück und versuchte, sich einen Reim darauf zu machen, doch das Einzige, was ihr einfiel, war ein Stromausfall mitten in der Nacht.
Sie wälzte sich auf die Seite, machte die Nachttischlampe an und schaute blinzelnd auf ihre Armbanduhr. Sie zeigte sechs Uhr morgens. Stöhnend kletterte sie aus dem Bett, richtete sich auf und bereute es sogleich wieder. Vor ihr drehte sich alles, und in ihrem Kopf schien ein Schlagbohrer am Werk zu sein. Gleich darauf wurde ihr speiübel. Mit der Hand vor dem Mund hastete sie ins Bad, beugte sich würgend über die Toilette und erbrach sich. Hinterher zog sie sich mit tränenden Augen am Waschbecken hoch und spritzte sich Wasser ins Gesicht. Auf wackligen Beinen kehrte sie in ihr Schlafzimmer zurück, während Fetzen irgendeines Traums vor ihrem inneren Auge vorbeischwebten.
Craig. Sie hatte von Craig geträumt, so intensiv, dass siesich unwillkürlich umschaute, als könne er jeden Moment in den Raum gestürmt kommen, sie küssen und ihr einen guten Morgen wünschen. Aber da war niemand. Craig war tot. Für immer fort. Begraben. Trotzdem hatte sie das Gefühl, dass irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Kalter Schweiß trat auf ihre Stirn, und ihr Herz pochte wie verrückt.
Ruf Gage an, verlangte eine kleine Stimme in ihrem Ohr, selbst wenn es sechs Uhr morgens ist.
Hatte er sie nicht gebeten, dass sie sich umgehend bei ihm meldete, wenn ihr etwas seltsam erschien? Nur dass sie nicht wusste, was es war. Vielleicht hatte sie nur schlecht geträumt, oder der Wein war ihr nicht bekommen. Kein Grund also, Theater zu machen.
Mit zittrigen Händen streifte sie ihren Morgenmantel über und tappte über den Flur in die Küche. Dort stellte sie die Kaffeemaschine an und steckte zwei Scheiben Vollweizenbrot in den Toaster. Das Omelette, das sie sonst immer aß, konnte sie vergessen. Schon bei dem Gedanken daran rebellierte ihr Magen.
Sie schaltete den kleinen Fernseher in der Küche an und holte eine Flasche Saft aus dem Kühlschrank. Während sie sich ein Glas eingoss, drangen die Worte eines Reporters an ihr Ohr.
«Auf dem Land der Familie Thornton, auch als die Colonies bekannt, wurde kürzlich eine grauenhafte Entdeckung gemacht. Wie es heißt, handelt es sich dabei um die Überreste mindestens einer Frau, die ermordet und dort vor Jahren heimlich begraben wurde. Die Polizei weigert sich zurzeit, dazu einen Kommentar abzugeben.»
Entsetzt starrte Adrianna auf den Bildschirm, der vor ihren Augen flimmerte, während der Reporter von Vertuschung sprach, und ein verwackeltes Bild von ihr und Gage auf dem Friedhof der Thorntons erschien.
Gleich darauf klingelte ihr Telefon. Widerstrebend nahm Adrianna den Hörer ab.
«Siehst du gerade fern?», fragte Kendall.
«Ja, leider.»
«Brett ist ein Wichser.»
«Das tröstet mich nicht.»
«Ach, komm, Adrianna, das ist doch alles im Nu wieder vergessen.»
«Glaubst du das wirklich?»
«Ja. Die Polizei wird eine Erklärung abgeben und Brett den Wind aus den Segeln nehmen. Für ein paar Tage wird es unangenehm sein, aber dann ist es auch wieder vorüber, und kein Mensch interessiert sich mehr für dich.»
«Ich will, dass sich auch jetzt keiner für mich interessiert.»
«Denk an die Auktion», schlug Kendall vor. «Lenk dich ab.»
«Kommst du auch?»
«Ich wüsste nichts, das mich davon abhalten könnte.»
«Danke.»
«Auch die Auktion wird vorübergehen.»
Adrianna lachte. «Du bist ein Schatz, Kendall.»
Beim Auflegen sah Adrianna den Diamanten an ihrem Finger im Morgenlicht funkeln. Für eine Weile studierte sie den Ring und kam zu dem Schluss, dass er nicht mehr an ihre Hand gehörte. Sie hatte ihn aus Liebe und Treue getragen, doch jetzt war es an der Zeit, ihn abzulegen.
Adrianna zog den Ring ab, betrachtete die Rille, die er hinterlassen hatte, und massierte den Finger, bis sie verschwunden war.
Ganz gleich, was die Presse und die Polizei mit ihr vorhatten, sie würde es durchstehen, getreu ihrer Devise, immer einen Fuß vor den anderen zu setzen und sich nicht unterkriegen zu lassen.
Anschließend aß sie die trockenen Scheiben Toast, trank ihren Saft und zwei Tassen Kaffee. Danach fühlte sie sich fast schon wiederhergestellt.
Als sie das Geschirr in die Spüle räumte, kam ihr das geplante Treffen im Haus ihrer Mutter wieder in den Sinn. Gage hatte getan, als sei es mehr oder weniger Routine, und gefühlsmäßig wollte sie ihm glauben, doch ihr
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