Am Ende der Angst
Nachtschicht, die nun zum Dienst aufbrach. Dann war das Gebäude leer, bis auf mich – und Tarek.
Ich ging hinunter in den Keller. Nach dem dritten Rufen kam er hinter einem Abflussrohr hervorgekrochen. Er sah noch ein bisschen schmutziger aus als gestern.
In seinen Augen leuchtete Hoffnung, als er mich sah.
»Du kannst mit mir nach oben kommen und etwas essen.«
Er nickte erfreut und folgte mir ins Büro. Dort drückte ich ihm zuerst ein Handtuch und ein paar Klamotten, die ich vorhin bei Walmart erstanden hatte, in die Hand und schickte ihn auf die Toilette, wo er sich frisch machen sollte. Als er zurückkam, war er kaum wiederzuerkennen. Und roch wesentlich besser. Da gab ich ihm den Burger, den ich im Imbiss geholt hatte. Er schlang ihn regelrecht hinunter.
Dann saß er vor mir und schien darauf zu warten, dass ich ihm eine gute Nachricht zum Thema Job brachte. Aber damit konnte ich nicht dienen.
»Du bist illegal hier, deshalb darfst du nirgends offiziell arbeiten, das hatte ich dir schon gesagt. Mein Boss kann dich nicht einstellen. Außerdem bist du noch viel zu jung für einen richtigen Job. Du müsstest eigentlich in eine Schule gehen.«
»Nicht?« Tarek ließ enttäuscht den Kopf hängen.
Ich war jedoch noch nicht ganz fertig. »Ich werde jedoch eine Freundin fragen, ob sie dir helfen kann. Sie arbeitet in einem Obdachlosenasyl. Dort könntest du bestimmt ein Weilchen bleiben und ihr zu Hand gehen. Vielleicht findet sie auch eine Möglichkeit für dich, einen Job oder eine Ausbildung zu finden. Na, was sagst du?«
Er legte den Kopf schief. Ich war mir nicht sicher, ob er tatsächlich alles verstanden hatte, aber schließlich nickte er. »Okay.«
»Gut. Ich bringe dich dann hin, ich muss nur noch ein paar Sachen recherchieren.«
»Okay. Kann ich helfen in Job?«
»Nein, das geht jetzt nicht. Vielleicht später. Ja?«
»Okay.« Er setzte sich auf einen Stuhl und beobachtete mich. Ich schaltete den Computer wieder ein und ging ins Internet. Ich hatte mir ein Lesezeichen an den Artikel gesetzt, den ich zuletzt gefunden hatte.
»Patrick Jeroux wegen Steuerhinterziehung verhaftet« lautete die Schlagzeile. Das allein war noch nichts Besonderes. Das Besondere daran war das Geschäft, das der gute Patrick Jeroux neben seiner politischen Karriere betrieben hatte: ein Hostessenservice, was nichts anderes hieß, als dass er Prostituierte beschäftigte.
Der Artikel ließ sich lang und breit über die Millionen des Monsieur Leroux aus, die er angeblich auf einem Konto auf den Cayman Islands gebunkert hatte. Wo sie tatsächlich geblieben waren, verriet er jedoch nicht. Besaß der Mann das Geld noch oder hatte Frankreich damit inzwischen sein Gesundheitssystem saniert?
Ein kurzer Lebenslauf von Patrick Jeroux war angehängt. Geboren in Französisch-Guayana als Sohn eines Diplomaten, Studium der Politik und Sprachen in Paris, Genf und Zürich, dann erste Anstellungen als Privatsekretär eines Ministers. Nach der Steueraffäre verschwand er von der politischen Bildfläche. Ende des Artikels.
Ich surfte weiter und fand einen weiteren Text, einen aktuelleren Datums, der anlässlich seiner Einstellung als neuer Assistent des französischen Botschafters in Amerika veröffentlicht worden war. Das war gerade neun Wochen her.
Wieso ein Mann mit solch einer Vorstrafe im diplomatischen Dienst arbeiten durfte, darüber ließ sich der Artikel nicht aus. Natürlich stand auch nicht darin, dass Jeroux in New Jersey gerade zwei Nutten getötet hatte, aber mein Instinkt sagte mir, dass ich auf der richtigen Spur war. Er hatte Zugang zu einer weißen Limousine mit Diplomatenkennzeichen, eine Vergangenheit mit Nutten und eine Vorstrafe. Damit war ein absolut heißer Verdächtiger.
Kurz bevor ich den Computer ausschaltete, sah ich noch kurz auf der regionalen Homepage nach, ob es in der Zwischenzeit neue Erkenntnisse der Polizei gab oder eventuell eine weitere Leiche gefunden worden war. Das Einzige, was ich erfuhr, war die Nachricht, dass der Zoowärter aus Mangel an Beweisen entlassen worden war.
Das würde Fiona gar nicht gefallen. Mir auch nicht, denn sauber war mir der Mann ganz sicher nicht vorgekommen. Aber das ließ sich nicht ändern. Jetzt musste ich erst einmal Tarek unterbringen.
***
Skye war nicht im Obdachlosenasyl, hinter dem Tresen stand Jasmine. Sie musterte Tarek von oben bis unten, als ich ihn ihr vorstellte, und nickte schließlich. Er konnte bleiben und im Asyl helfen, bis ihr eingefallen
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