Am Ende der Angst
große Jacke. Sein Gesicht war noch etwas schmutziger als bei unserer ersten Begegnung. Er roch nicht gut.
»Wie bist du überhaupt hier hereingekommen. Hat der Pförtner dich einfach durchgelassen?« Das konnte ich nicht glauben.
»Ich Tage hier. Ich … ich ...« Er suchte offenbar nach dem richtigen Wort.
»Du bist hier eingebrochen?«
Er nickte.
»Na toll, was ist das denn für eine Sicherheitsfirma, wenn sie sich nicht einmal selbst vor Einbruch schützen kann. Wo hast du dich versteckt?«
Er deutete mit der Hand nach unten. Also im Keller.
»Ich weiß nicht, ob ich dir einen Job geben kann. Du hast keine Aufenthaltserlaubnis, du darfst hier nicht arbeiten. Hast du sonst niemanden, bei dem du unterkommen kannst?«
Er schüttelte den Kopf. »Nur Tarek.«
Mist. »Ich versuche, etwas für dich zu organisieren. Aber ich kann dir nichts versprechen.«
»Danke. Danke.«
Ich hörte Schritte hinter mir, Tarek offenbar auch, denn er flitzte schnell zu einer grauen Stahltür am Ende des Ganges, die zum Keller führte. Noch bevor mein Chef um die Ecke bog, um zur Toilette zu gehen, war Tarek verschwunden.
***
Als Fiona zum Feierabend nach Hause kam, war mein Überraschungspaket fertig geschnürt. Ich erwartete sie bereits an der Tür, erlaubte ihr nur einen kurzen Aufenthalt im Bad, bevor ich sie wieder aus dem Haus schob.
Sie war nicht gerade gut gelaunt gewesen, als sie kam, weil sie wegen meiner Mini-Recherche in ihrem Rechner einen Tadel von ihrem Vorgesetzten bekommen hatte. Aber ich konnte sie dazu überreden, mir eine allerletzte Chance zur Wiedergutmachung zu geben.
Und so saßen wir nur zwanzig Minuten später im Wagen und fuhren auf der 545 Richtung Washington, wo ich im besten und edelsten Restaurant einen Tisch für uns reserviert hatte. Dafür hatte ich sogar Anzug und Krawatte aus dem Schrank gekramt und Fiona nahegelegt, ein hübsches Kleid statt Hosen und Bluse anzuziehen.
Während der Fahrt spielte ich nur Fionas Lieblingsmusik, so dass sie sichtlich besser gelaunt in Washington ankam.
Vor dem Edelschuppen erwartete uns ein Page des Restaurants, öffnete Fiona die Tür und fuhr dann den Wagen in eine für mich nicht sichtbare Garage.
Drinnen erwartete uns der nächste Page, der mit einem schicken französischen Akzent nach meinem Namen fragte und uns dann zu unserem Tisch führte. Der stand leider nicht am Fenster und auch nicht in der Nähe des Kamins, aber immerhin auch nicht direkt vor den Toiletten. Ich sah mich um. Das Publikum sah genauso aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Anwälte, Politiker, Banker und Richter saßen hier mit ihren wasserstoffblondierten Geliebten oder chirurgisch aufpolierten Ehefrauen. Sie sprachen über Geschäfte, Aktien, die Skiferien in Aspen und Beaver Creek und welche Yacht sie als nächstes kaufen würden. Für einen ihrer Anzüge müsste ich ein Jahresgehalt hinlegen, allein ihre Schuhe waren teurer als mein Auto. Trotzdem waren nur wenige Tische frei.
Fiona zeigte sich beeindruckt von meiner Wahl.
»Das muss doch unglaublich teuer sein«, flüsterte sie mir zu.
Ich lächelte sie an. »Für dich ist mir nichts zu teuer. Aber bitte iss auf oder lass es dir für zu Hause einpacken.«
Sie erwiderte mein Lächeln und legte ihre Hand auf meine. »Hier sind die Mahlzeiten wahrscheinlich so klein, dass wir uns unterwegs noch einen Burger holen müssen, um satt zu werden.«
Ich lachte. Dabei sah ich mich verstohlen um, ob ich ein bekanntes Gesicht im Raum entdeckte.
Als der Kellner kam, der hier Chef de rang hieß, bestellten wir zuerst einen guten Rotwein, bevor wir uns die Karte ansahen. Und das war auch gut so, denn bei den meisten Speisen konnten wir nur raten, was sie bedeuteten, da sie in Französisch beschrieben waren. Aber es machte Spaß, mit Fiona die möglichen Gerichte, die sich dahinter verbargen, zu erraten. Sie war sehr kreativ und erfand die ausgefallensten Speisen. Als dann die Teller mit dem Gericht unserer Wahl ankamen, entlockten sie uns ein Grinsen. Fionas Essen war etwa so groß wie meine Faust, obwohl es so viel kostete wie unser ganzes Wochenbudget an Lebensmitteln. Und mein »Cœur de filet à l’estragon« war nach drei Bissen verspeist, ohne dass mein hungriger Magen sein Knurren aufgab.
Ich bot Fiona an, ein Dessert zu bestellen, doch sie lehnte ab. Vermutlich wäre sie davon auch nicht satter geworden, aber wir hätten dafür unseren Urlaub absagen müssen.
Als ich wenigstens eine zweite Karaffe Wein bestellen
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