Am Ende der Angst
kein Blut zu sehen, sie waren einfach nur verschwitzt und schmutzig.
Auf einer Kommode an der Wand stand ein Bild von einer Frau, daneben eines, das Paul in jungen Jahren mit dieser Frau zeigte. Ein Hochzeitsbild.
In der Kommode knitterte in einem Schubfach ein Haufen unsortierter Rechnungen herum, manche schon viele Jahre alt und teilweise vergilbt. Im zweiten Schubfach befand sich Tischzeug, weiße Tischdecken, bunte Läufer und Deckchen. Überbleibsel aus einem besseren Leben.
Das dritte Schubfach war fast leer. Es enthielt nur eine leere Flasche und ein paar CDs. Ich sah mir die CDs an, doch die alten Aufnahmen von Neil Young hatten nichts Verdächtiges an sich.
Ich stieg nach oben ins Schlafzimmer. Auch dort war nichts Auffälliges zu entdecken. Schmutzige Wäsche, ein zerknülltes Laken (auch ohne Blut) und ein Paar verdreckte Schuhe. Die sah ich mir genauer an. An den Sohlen klebte Erde, dunkle Erde, wie man sie im Garten nach dem Umgraben findet. Oder in Wald und Flur. Es war dünn, aber der erste Hinweis, der ihn mit den Morden in Verbindung brachte. Zwar nicht mit der französischen Botschaft, aber immerhin mit einem möglichen Tatort. Allerdings klammerte ich mich an einen Strohhalm. Der Dreck an den Schuhen konnte harmlosere Ursachen haben. Vielleicht hatte er Blumen gepflanzt oder einen befreundeten Bauern auf dem Land besucht. Ich wusste nicht, ob die Polizei schon in dem Haus gewesen war. Vermutlich nicht. Wenn der Verdacht gegen Paul Soderman nicht ausgereicht hatte, ihn dazubehalten, dann wohl auch nicht, um einen Durchsuchungsbefehl zu erwirken.
Als letztes betrat ich das Badezimmer an. Auch hier war absolut nichts zu finden.
Ernüchtert stieg ich wieder nach unten. Dabei fiel mein Blick auf ein kleines Tischchen neben der Garderobe. Dort lag eine Visitenkarte. Dr. Jason Lewis, Attorney of Law. Ein Rechtsanwalt. Die Karte war nicht neu. Schmutz klebte dran, eine Ecke war eingerissen. Das bedeutete, dass der Zoowärter schon vor einiger Zeit einmal einen Anwalt benötigt hatte.
Ich steckte die Karte ein und sah mich noch einmal um. Endlich richtig wach geworden, entdeckte ich eine kleine Tür hinter der Treppe. Die Kellertür.
Ich öffnete sie und schaltete das Licht an. Eine steile Treppe führte nach unten. Sie war verstaubt, doch das Geländer war sauber. Jemand ging regelmäßig hier hinunter. Unten erwartete mich eine Werkbank mit allerlei gewöhnlichem Werkzeug. Und daneben war eine Wand, an der über einem einfachen Regal, das wie ein Altar wirkte, ein Gewehr hing. Mein Herz machte einen Sprung. Es war keine Borovnik, aber ein richtiges Jagdgewehr.
Vorsichtig nahm ich es von den Haken und roch daran. Es war kürzlich abgefeuert worden. Auf welches Ziel, konnte es mir jedoch leider nicht sagen.
Im Abwenden begriffen, fiel mein Blick auf eine kleine Dose, die auf dem Regal lag. Ich nahm sie und schüttelte sie. Sie klapperte, als würden sich darin Pillen befinden. Vorsichtig öffnete ich sie und schüttete den Inhalt auf meine Hand. Was da herausgefiel, jagte einen kalten Schauer meinen Rücken hinunter. Es waren drei Zähne. Ein Schneidezahn und zwei Backenzähne.
Ich hatte keine Ahnung, wessen Zähne es waren und warum er sie hier unten aufbewahrte. Ich legte sie eilig zurück. Danach hängte ich die Waffe an ihren Platz und ging zurück nach oben. Es war höchste Zeit, dass ich zur Arbeit fuhr.
***
Mein Chef zeigte sich nicht sonderlich begeistert, als ich ihm erzählte, dass ich den Firmenwagen für eine nicht genehmigte Überwachung benutzt hatte. Aber als ich ihm versprach, das Benzin zu ersetzen, beruhigte er sich wieder.
Samuel wollte daraufhin natürlich wissen, was ich angestellt hätte, aber ich erzählte ihm von Stress zu Hause und meinem Entschluss, im Auto schlafen zu wollen. Das kam der Wahrheit sehr nahe. Er glaubte mir und wollte wissen, was mit Fiona und mir los sei, aber ich bügelte seine Fragen ab, indem ich mich nach seiner schwangeren Frau erkundigte. Daraufhin war er still.
Glücklicherweise verlief der Tag ruhig, so dass ich mich ein bisschen erholen konnte. Zum Feierabend wartete ich, bis die einen verschwunden waren und die anderen ihren Dienst angetreten hatten, dann griff ich mir erneut den Schlüssel vom SUV und fuhr zu Paul Sodermans Haus.
Dieses Mal musste ich nicht lange warten. Etwa ein, zwei Stunden, nachdem ich angekommen war, verließ Paul Soderman das Haus. Wieder ging er zur Straßenecke, doch er stieg nicht in den Bus. Ein
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