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Am Ende der Ewigkeit

Am Ende der Ewigkeit

Titel: Am Ende der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Carver
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Gesicht und am Nacken sahen unter den transparenten Bandagen nicht viel besser aus als an dem Tag, als er sie hierher brachte. Doch es waren nicht die Narben, die ihm Sorgen bereiteten; es war ihre Stille. Die schlimmsten Verwundungen waren nicht sichtbar. Die Ärzte meinten, die grundlegenden Lebenszeichen seien kräftig, doch solange die durch die Piraten eingesetzten Implantate gewisse kortikale Funktionen steuerten, vermochten sie nicht abzuschätzen, wann sie aus dem Koma aufwachen würde – falls sie überhaupt das Bewusstsein wiedererlangte. »Mit diesen Optimierungsvorrichtungen haben wir so gut wie keine Erfahrung«, bekannte einer der Ärzte. »Sie sind so fest an das autonome Nervensystem gekoppelt, dass wir uns nicht trauen, daran herumzupfuschen – nicht, mit unserem rudimentären Wissen. Aber sollte sich ihr Zustand in ungefähr einer Woche immer noch nicht geändert haben, probieren wir ein kortikales Stimulans aus und warten ab, was passiert.«
    Legroeder berührte Maris' Unterarm. Mitgefangene. Waffenkameradin. Er wusste wenig über ihr Leben vor der Gefangennahme durch die Piraten. Sie wurde von einem Schiff entführt, dessen Namen er nicht kannte. Ein paarmal hatten sie auf Kapermissionen zusammen gearbeitet. Doch eigentlich war es in diesen zwei, drei Minuten im Wartungsdock geschehen, dass sie spontan beschlossen, einander zu vertrauen. In diesem Augenblick war die Verbindung zwischen ihnen geknüpft worden. Er griff nach ihrer schlaffen Hand und beugte sich über sie. »Du hast dich tapfer geschlagen, Maris«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Wir haben es geschafft. Wir sind keine Gefangenen der Piraten mehr. Du wirst frei sein, sobald du aus diesem Koma erwachst. Nur noch diese eine Anstrengung.« Er zögerte. »Ich muss jetzt gehen. Ich habe Verschiedenes zu erledigen. Da gibt es ein paar Dinge zu klären. Aber ich komme zurück, sobald ich kann.«
    Seufzend richtete er sich wieder auf. Er ging zu Harriet Mahoney, die in der Halle auf ihn wartete. Gemeinsam verließen sie das Krankenhaus und traten nach draußen in den morgendlichen Sonnenglast.
    *

    Harriet schien eine menge Cafés in dieser Gegend zu kennen. Sie entschieden sich für eines, das in einer holografisch erzeugten Wüstenlandschaft lag, komplett mit Dornenbüschen, Schirmakazien und üppig wuchernden Wüstenblumen. Eine Quelle sprudelte neben ihrem Tisch – echter Fels und richtiges Wasser – und zum ersten Mal seit Jahren hatte Legroeder das Gefühl, sich wieder richtig entspannen zu können, wenn er nur lange genug an diesem Ort verweilte. Und wenn ihn nicht tausend unbeantwortete Fragen quälten. Doch die meisten behielt er für sich, während er einen Teller Waffeln verputzte und einen Becher Kaffee trank – nicht nur richtigen Kaffee, sondern guten Kaffee. Er hatte schon vergessen, wie köstlich das Aroma von gutem Kaffee duftete, das ihm nun verlockend in die Nase stieg. Schließlich begann er: »Mrs. Mahoney – oder darf ich Sie …?«
    »Sagen Sie Harriet zu mir.« Sie setzte ihre Teetasse auf dem Unterteller ab. »Bitte. Ich hasse die förmliche Anrede. Dabei komme ich mir so alt vor.«
    »Also gut. Harriet. Gibt es einen Mr. Mahoney?«
    »Den gab es. Er starb vor fast zwanzig Jahren.«
    »Das tut mir Leid.«
    Ein Lächeln zuckte um ihren Mund. »Es braucht Ihnen nicht Leid zu tun. Ich glaube, er war froh, von mir wegzukommen. Damals war ich ein ziemlich schwieriger Mensch, und es fiel ihm sicher nicht leicht, mit mir zusammenzuleben. Vermutlich bin ich auch heute noch kompliziert.« Sie gluckste vergnügt. »Und wie möchten Sie angeredet werden, Rigger Renwald Legroeder?«
    »Wie es scheint, darf ich mich nicht mehr ›Rigger‹ nennen«, knurrte er verärgert. »Legroeder genügt.«
    »Dann ist Renwald Ihr Nachname?«
    Er schüttelte den Kopf. »Seit ungefähr meinem fünften Lebensjahr nennt man mich nur Legroeder. Das heißt, meine Freunde tun das.«
    »Na schön – Legroeder. Sie möchten wissen, warum ich Sie gegen Kaution rausgeholt habe.« Harriet fasste an ihr rechtes Ohr, als wolle sie ihren Ohrring zurechtrücken. Auf dem Tisch erschien ein zwölf Zentimeter großes Hologramm. Es war ein Junge, sechs oder sieben Jahre alt, der mit einem zahmen Althasianischen Zwergbären auf einem Rasen saß. Der Bub lächelte und winkte in die Kamera. »Haben Sie diesen jungen Mann irgendwann einmal gesehen?«, fragte Harriet. Zum ersten Mal hörte Legroeder, dass ihre Stimme zitterte.
    Legroeder beugte sich vor, um das

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