Am Ende der Nacht

Dune Stirlings Versteck zu finden. Das
Terrain war weit und wild, dicht bewaldet und weiß überzuckert. Kleine
zugefrorene Seen lagen zwischen den Bäumen verstreut wie Schieferscherben. Wir
entdeckten da und dort eine Holzabfuhrstraße, aber nichts, was wie eine
Landebahn oder auch nur wie ein geeigneter Platz für eine Außenlandung aussah.
Die Funkwetterberatung, die Hy eingeholt hatte, war auch nicht gerade
beruhigend: Die Kaltfront zog jetzt schneller heran.
    »Sollen wir’s langsam aufgeben und nach
Arrowhead zurückfliegen?« fragte ich ihn.
    »Ja. Welche Platzfrequenz?«
    Ich konsultierte die Fliegerkarte.
»Einszwoundzwanzig Komma acht.«
    Er legte die Cessna in eine Kurve,
leitete wieder aus und nahm eine andere Route zurück zum Flugplatz. Wir flogen
tief, nur ein paar hundert Fuß über den Baumwipfeln, und ich suchte weiter das
Gelände ab. Vor uns erstreckte sich eine abgeholzte Fläche; die Baumstümpfe
ragten durch die leichte Schneedecke. Der Wind hatte die schmale Zufahrtsstraße
freigefegt. Mein Blick folgte ihr dorthin, wo sie im Wald verschwand —
»Ripinsky, schau mal da.«
    Er guckte in die Richtung, in die ich
zeigte. »Irgendwas Blaurotes, dort unter den Tannen.«
    Wir flogen darüber hinweg, doch was
immer sich dort verbarg, blieb ein undeutlicher Farbfleck. Hy wendete, und wir
gingen noch tiefer hinunter. Jetzt erkannte ich die charakteristische Form
einer Tragfläche.
    »Ein Flugzeug«, sagte ich. »Stirlings
Unterschlupf?«
    »Kaum, es sei denn, er hat sich aufs
Holzfällen verlegt.« Hy flog die Stelle ein weiteres Mal an. »Aber es ist
eindeutig ein Flugzeug.«
    »Also Walkers Maschine. Der Typ von
Aeroventure hat doch gesagt, sie sei blaurot.«
    »Abgestürzt ist er nicht, dann hinge
sie in den Bäumen, nicht drunter. Wahrscheinlich ist er absichtlich oder
unfreiwillig auf der Straße gelandet und hat sein Flugzeug dann zur Tarnung
unter die Äste geschoben.«
    »Schaffen wir’s, da zu landen?«
    »Kinderspiel.«
     
    Tiefhängendes Geäst verdeckte die Super
Cub, so gut, daß sie mir wohl nicht aufgefallen wäre, wären nicht auf der
Windseite ein paar Zweige hinter einem angestellten Querruder verklemmt
gewesen. Wir näherten uns der Maschine vorsichtig, mit gezogener Waffe. Ringsum
war alles still, bis auf das Rauschen des Winds in den Tannen. Hy schlüpfte um
die Maschine herum, und wir spähten durch die Seitenfenster.
    Leer, nur ein offener Seesack stand auf
dem Sitz — genau das ausfaltbare blaue Modell, das Matty mir beschrieben hatte.
Hy öffnete die Tür und inspizierte ihn.
    »Er muß mehrere Kleiderschichten
übereinandergezogen haben«, sagte er. »Da ist nicht mehr viel drin.«
    »Glaubst du, das war eine geplante
Landung?«
    »Kann ich nicht sagen. Das hier ist
allerdings interessant.« Er zeigte auf die Stelle, wo sich normalerweise der
Magnetkompaß befand. Er war ausgebaut worden. »Er hat ihn mitgenommen, damit er
sich nicht verläuft.«
    Hy zog sich wieder aus dem Cockpit
zurück und überprüfte die Treibstofftanks. »So gut wie leer. Entweder mußte er
runter, weil ihm der Sprit ausgegangen ist, oder er hat den Tankinhalt
abgesaugt und in einem Kanister mitgenommen, für den Fall, daß er Feuer machen
muß. Raucht er?«
    »Matty war Nichtraucherin, und ich kann
mich nicht erinnern, daß es bei ihnen je nach Tabak gerochen hätte.«
    Hy fuhr mit der Untersuchung der
Maschine fort. »Aha. Die Batterie fehlt ebenfalls. Damit kann man Treibstoff
entzünden, wenn man weder Feuerzeug noch Streichhölzer hat. Der Kerl versteht
was von Survival in der Kälte.« Er kam zu mir herüber, legte die Hand auf die
Tragflächenstrebe und sagte stirnrunzelnd: »Okay, er landet, tarnt die
Maschine, zieht zu Fuß los. Die Frage ist nur: Ist er im Wald umgekommen, oder
hat er’s bis zu Stirling geschafft?«
    »Das werden wir nie rausfinden, solange
wir nicht wissen, wo Stirling steckt. Laß uns nach Arrowhead zurückfliegen und
schauen, ob wir’s irgendwie in Erfahrung bringen können.«
    Auf dem kleinen Flugplatz waren Lande-
und Rollbahn gepflügt und von gut halbmeterhohen Schneewällen gesäumt. Dennoch
rutschte ich, als ich aus der Cessna stieg, auf einer Eisplatte aus und mußte
mich an der Tragflächenstrebe festhalten. Der eisige Wind trieb mir Tränen in
die Augen, als ich mich umschaute. Nicht viel zu sehen — nur eine Tanksäule,
ein Hangar und ein großer Trailer, aus dessen Venturi-Abzug Rauch stieg. Ein
paar Flugzeuge waren in der Nähe des Hangars verankert,