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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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sagte er
sanft.
    »Erzähl mir doch nichts, verdammt noch
mal!«
    Mein lauter Ausruf schockte ihn —
schockte uns beide. Einen Moment lang war nichts zu hören außer unserem Atem
und dem Gejaule eines Staubsaugers im Stockwerk über uns. Dann sagte er: »Ich
rufe den Typ von Iron Range noch mal an und sage ihm, wir nehmen morgen die
172.«
    »Warte — wir können doch nach Ely
fahren, und du weist mich auf der Maschine ein, die sie dort haben.«
    »Nein, McCone. Bis wir den Mietwagen
haben, dort hingefahren sind, die Formalitäten erledigt haben und du dich mit
der Maschine vertraut gemacht hast, ist es auch schon fast dunkel. Wir haben
dieses Zimmer, es gibt hier ein Restaurant gleich im Motel, und wir sind beide
müde. Wir machen uns einen entspannten Abend und sind dann morgen früh frisch
für alles, was uns da oben erwarten mag.«
    Er hatte natürlich recht. »Okay, ruf
Iron Range noch mal an«, sagte ich und begann schon mal, ein paar Sachen
auszupacken, während er wählte.
    Als er sein Telefonat beendet hatte,
trat er hinter mich, faßte mich an den Schultern und drehte mich zu sich um.
»Alles klar.« Wieder sahen wir uns in die Augen, offen und fest, und ich wußte,
die Halbwahrheiten und Ausflüchte der letzten zwei Wochen waren vorbei. Hy und
ich hatten immer schon eine geradezu unheimliche Fähigkeit gehabt, uns ohne
Worte und manchmal über große Entfernungen hinweg zu verständigen. Jetzt, da
wir uns in diesem unpersönlichen Motelzimmer, weit weg von zu Hause, gegenüberstanden,
spürte ich diese Verbindung stärker denn je. McCone, du bist doch noch auf
meiner Seite.
    Ja, bin ich.
    Was auch passiert, wir werden es
zusammen durchstehen.
    »Ja«, sagte ich, »das werden wir.«
    Er nickte, nicht weiter überrascht, und
zog mich an sich.
     
     
     
     

20
    »Was dagegen, wenn ich die
Cockpit-Heizung ein Weilchen abstelle?« fragte Hy. »Sie macht mich schläfrig.«
    »Nur zu, kein Problem.« Ich starrte
weiter aus dem Seitenfenster der Cessna 172.
    Wir überflogen gerade einen
zugefrorenen See mit Dutzenden kleiner Inseln darin. Von schneegepuderten
Tannen und schlanken, langgliedrigen Birken starrend, glichen sie Puzzleteilen
auf einem Glastisch. Im Eis spiegelte sich das Grau des Himmels. Wir waren spät
losgekommen, weil der letzte Kunde ein Problem mit dem Funkgerät der Cessna
gemeldet hatte, das sofort behoben werden mußte. Jetzt war es schon nach zwölf.
Hy hatte bei der nächsten Fluginformationsdienst-Station sowohl eine
Standardwetterberatung als auch eine Wettervorhersage eingeholt, und es wurden keine
widrigen Bedingungen gemeldet, obgleich sich von Westen her eine Kaltfront
näherte. Dennoch war es ein düsterer Tag, der einen frühen Dunkelheitseinbruch
verhieß, und Kaltfronten sind unberechenbar und können sich schnell verlagern.
Ich drehte den Kopf und studierte den Horizont auf Hys Seite, bemerkte hoch
aufgetürmte Wolken, die ein der Kaltfront voranziehendes Frontgewitter
ankündigen konnten.
    Ich sagte: »Das Wetter gefällt mir gar
nicht.«
    »Mir auch nicht. Schau doch mal auf die
Karte, ja? Wie weit sind wir noch von Arrowhead?«
    »...Wir haben gerade den Island Lake
überflogen, und rechts sehe ich ein paar kleinere Seen. Ich würde sagen, sieben
Meilen südwestlich.«
    »Danke.«
    »Was hast du jetzt vor?«
    »Den Flugplatz ausmachen, dann ein
bißchen die Gegend erkunden, während ich eine Funkwetterberatung einhole. Die
Lage ändert sich zu schnell für meinen Geschmack.«
    »Und dann?«
    »Kommt drauf an, was uns der
Wetterdienst sagt. Aber es ist wohl in jedem Fall ratsam, in Arrowhead zu
landen und ein bißchen mit den Leuten dort zu reden.«
    »Du meinst, weil Ash Walker vielleicht
dort durchgekommen ist oder weil sie was über Dune Stirling wissen?«
    »Genau. Ich habe noch mal über Stirling
nachgedacht: Er ist immer in dieser Silver Whisper hier raufgekommen, und mit
so einer Maschine versucht man besser nicht, außerhalb eines Flugplatzes zu
landen. Ich wette, er hat sie in Arrowhead gelassen.«
    »Mag sein. Ziemlich riskant, mit Leuten
zu reden, die ihn kennen könnten; wenn sie mißtrauisch werden, warnen sie ihn
womöglich vor uns.«
    »Einem von uns wird schon was
Geschicktes einfallen. Das ist unser kleinstes Problem. Da ist der Flugplatz,
laß uns mal schauen, was die Gegend hier so zu bieten hat.«
    Zwanzig Minuten später war mir klar,
daß wir bessere Chancen hatten, eine bestimmte Tanne inmitten der Millionen
Bäume dort unten zu identifizieren, als

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