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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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erwachsen und kam zu
mir. »Hier ist Chisholm-Hibbing.« Ich tippte mit dem Zeigefinger auf den
magentafarbenen Kreis. »Sechsundvierzig Seemeilen sind etwa so viel.« Ich
zeigte die Strecke mit Mittelfinger und Daumen und maß sie dann auf der Karte
in einer Richtung von etwa 190 Grad ab.
    »Da ist nichts«, sagte Hy.
    »Kann sein, daß ich mich ein bißchen
vertan habe.«
    »Du kannst dich um zwanzig Grad in
jeder Richtung vertan haben, und da ist immer noch nichts.«
    »Es sei denn, er plante eine
Außenlandung. Ich bezweifle, daß es ihn gekümmert hat, ob das in der
betreffenden Gegend erlaubt ist oder nicht.«
    »Hätte mich auch nicht gekümmert. Aber
ich vermute doch, daß er sich irgendein gut erkennbares Bodenmerkmal gesucht
hat, und da ist weit und breit keins. Versuch’s mal in der Gegenrichtung.«
    Ich maß wieder ab. »Hey, schau dir das
an: der Flugplatz Arrowhead, kurz vor diesem Sperrgebiet hier.«
    Hy sah auf die Karte, klappte sie dann
um und studierte die Erläuterungen. »Das Waldschutzgebiet von Superior und die
Boundary-Waters-Kanuwildnis. Überfliegen unterhalb von viertausend Fuß
ganzjährig verboten.«
    »Weißt du was über dieses Gebiet?«
    »Als alter Umweltschützer? Klar doch.
Boundary Waters ist ein Areal von über einer Million Morgen, mit vielen Flüssen
und Seen. Es liegt auf einem Ausläufer des Kanadischen Schilds, direkt an der
Grenze. Ist schon seit 1930 Naturschutzgebiet.«
    »Leben dort Menschen?«
    »Du meinst, ob Dune Stirling dort leben
könnte? Nein. Ich habe nur von zwei Siedlern gehört, die fest dort lebten, und
die mußte die Naturschutzbehörde zu Sonderaufsichtskräften ernennen, damit sie
bleiben konnten.«
    »Dann suchen wir also irgendwas, was
ganz in der Nähe, aber außerhalb des Naturschutzparks liegt.«
    »Richtig.« Er sah auf seine Armbanduhr.
»Schon nach zwölf. Ich treibe uns wohl besser mal ein Mietflugzeug auf.
Zweisitzer?«
    »Viersitzer, dachte ich.«
    »McCone, du glaubst doch nicht im
Ernst, daß wir Ash Walker mit zurückbringen?«
    Ich zuckte die Achseln. »Man kann nie
wissen. Und dann ist da noch Dune Stirling.«
    Unsere Blicke trafen sich und hielten
einander fest. Dann nickten wir beide. Nein, Stirling würde nicht mit uns
zurückkehren.
    Hy sah wieder auf die Karte. »Okay, der
nächste nennenswerte Flugplatz ist — hier in Eveleth. Der müßte ja wohl eine
Flugzeugvermietung haben.«
    Ich nahm das Telefonbuch vom Nachttisch
und suchte die Rubrik »Flugzeugvermietung«. »Iron Range Aviation«, erklärte ich
und las ihm die Nummer vor.
    Während er anrief, öffnete ich meine
Reisetasche und zog eine Wollmütze, Handschuhe und eine Daunenjacke heraus.
Dann griff ich mir das Hartschalenetui mit meiner 38 er, die ich am
Northwest-Schalter in San Francisco deklariert hatte, und setzte mich hin, um
die Waffe zu laden.
    Hy verhandelte ein Weilchen, kritzelte
etwas auf einen Notizblock und legte wieder auf. »Sie haben eine Cessna 172,
aber die ist gerade vermietet und kommt erst heute abend wieder zurück. Es
macht mir nichts aus, im Dunkeln nach Arrowhead zu fliegen, aber wir brauchen
Tageslicht, um Stirlings Unterschlupf zu finden.«
    »Dann laß uns rauffliegen und dort
übernachten.«
    »Ich bezweifle, daß es dort
irgendwelche Motels gibt; das ist eine ganz schön wilde Gegend. Und ich möchte
mit Sicherheit nicht auf einem Stuhl im Flugplatzbüro übernachten — nicht nach
dieser letzten Nacht.«
    »Hm, hat Iron Range irgendwelche
anderen Viersitzer da?«
    »Heute nicht mehr. Aber der Typ hat mir
die Nummer von der Flugzeugvermietung auf dem Regionalflughafen Orr gegeben.
Das ist gute vierzig Meilen nördlich von hier. Wir könnten einen Mietwagen
nehmen und hinfahren.« Er wählte, horchte und hängte wieder ein. »Orr ist
geschlossen, wegen Frostschäden an der Rollbahn.«
    »Verdammt!« Ich zog die Karte zu Rate.
»Was ist mit Ely? Das ist etwa genauso weit von hier.«
    Er fragte die Auskunft, wählte die
Nummer der Flugzeugvermietung von Ely und konferierte eine ganze Weile. »Nichts
da, womit du dich auskennst.«
    »Du fliegst doch, was macht es da, ob —«
    »Du könntest übernehmen müssen. Wie du
dich vielleicht erinnerst, ist das schon mal vorgekommen.«
    Aber da war Hy krank gewesen — in einer
Verfassung, in der er sich nie ans Steuer eines Flugzeugs gesetzt hätte, wären
nicht noch andere Leben als nur unsere in Gefahr gewesen. Wenn er diesmal nicht
fliegen könnte, hieße das — »Ich meine nichts Bestimmtes, McCone«,

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