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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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darunter eine
schrottreife Cherokee ohne Propeller. Das Flugfeld war auf allen Seiten von
Wald umgeben: Die Baumwipfel zeichneten sich vor dem düsteren Himmel ab. Selbst
der Windsack — einst orangerot, jetzt aber zu einem faden Braun verschossen —
schien leblos vor Kälte.
    Ich half Hy, die Cessna festzumachen.
Dann liefen wir rasch zu dem Trailer. Drinnen war es warm und gemütlich — mehr
trautes Heim als Flugplatzbüro. Eine kräftige Frau saß vor dem Holzofen und las
in einem Taschenbuch. Sie hob einen Finger, las den Abschnitt zu Ende und
klappte das Buch zu. »Kann ich was für Sie tun?«
    »Wir hoffen es.« Ich erzählte wieder
die Geschichte von unserem Hallodri-Freund John, der uns in Flying Cloud
versetzt hatte, endete aber diesmal — der Geistesblitz, den Hy prophezeit
hatte! — mit der Behauptung, wir seien nach Arrowhead gekommen, weil John einen
Freund hier in der Gegend habe besuchen wollen. Gemeinsam, setzte ich hinzu,
neigten die beiden dazu, zu tief ins Glas zu blicken, was wohl der Grund dafür
sei, daß John uns nicht angerufen habe, um uns zu sagen, daß er es nicht zur
verabredeten Zeit nach Minneapolis schaffen würde.
    An diesem Punkt warf mir Hy denselben
warnenden Blick zu, mit dem ich Rae zu bedenken pflegte, wenn sie zu sehr ins
Fabulieren kam.
    »Wie sieht Ihr Freund denn aus?« fragte
die Frau.
    »Groß, kräftig, braunes Haar. Er flog
eine blaurote Super Cub, sechs-acht-drei-sieben-Lima.«
    »Oh, klar doch. Der war vor zwei, drei
Wochen hier. Hat seine Tanks aufgefüllt und gefragt, wie er zu dem Einsiedler
kommt. Hat gesagt, er sei schon dort gewesen, hätte aber den Weg vergessen.«
    »Einsiedler?«
    »So nenne ich ihn. Mein Mann sagt
immer, irgendwann rutscht mir das noch mal raus, wenn ich mit ihm rede, und
dann kommt er nicht mehr zum Tanken her.« Sie lachte. »Nie und nimmer. Der ist
viel zu sehr in seine eigene Welt eingesponnen, um irgendwas mitzukriegen.«
    »Wie heißt er richtig?«
    »J. D.«
    »Kein Nachname?«
    »Na-ah. Sogar die Vorräte, die er sich
manchmal aus Ely hierherfliegen läßt, sind so adressiert.«
    Hy fragte: »Er hat ein eigenes
Flugzeug?«
    »‘ne hübsche kleine Maule.«
    »Wie kommt’s, daß Sie noch nie in den
Listen nachgeguckt haben, auf welchen Namen sie registriert ist?«
    Die Frau runzelte die Stirn. »Das
verstehen Sie nicht, Mister. Leute wie J. D., mein Mann und ich — wir sind aus
bestimmten Gründen hier. Um weit weg von dem zu sein, was da draußen läuft,
weit weg von der sogenannten Menschheit. Wir stellen hier keine Fragen, und wir
schnüffeln nicht rum. Der Mann, der vor uns den Platz hier betrieben hat, der
hat uns alles erzählt, was wir über J. D. wissen müssen.«
    Ich sagte rasch: »Wir schnüffeln auch
nicht rum, wir machen uns nur Sorgen um unseren Freund. Wenn er und J. D. erst
mal ins Trinken kommen, weiß keiner, was alles passieren kann. Glauben Sie mir,
wir haben schon die tollsten Horrorgeschichten gehört.«
    »Na ja, stimmt schon, J. D. hat jede
Menge Waffen. Und es passiert immer wieder, daß Besoffene im Schnee rumwanken
und erfrieren. Aber der Einsiedler kommt mir nicht wie einer vor, der solchen
Blödsinn macht. Er lebt jetzt schon mindestens zehn Jahre da draußen im Wald.
Unser Vorgänger hier, der hat uns erzählt, J. D. ist früher immer von irgendwo
im Süden hier raufgekommen, mit einem waschechten Privatjet. Hat eine Zeitlang
da draußen gearbeitet, an seiner Hütte gebaut, seine Landepiste abgeholzt.
Irgendwann ist er dann endgültig hergekommen. Ist fast immer da draußen, fliegt
höchstens mal nach Ely. Geht jagen und fischen, lebt von dem, was das Land
hergibt.«
    »Lebt er allein?«
    »Ja. Soweit ich weiß, hat er nie
Besuch. In den sieben Jahren, die wir jetzt hier sind, war Ihr Freund der
einzige, der je nach ihm gefragt hat.«
    Ich sah Hy seufzend an. »Tja, dann
bleibt es wohl an uns hängen, dort raus zu fliegen und John nach Hause zu
schleppen.«
    »Sieht so aus.« Zu der Frau sagte er:
»Könnten Sie uns erklären, wie man zu J. D. kommt?«
    »Klar. Er wohnt am Pickerel-See, das
ganze Land ringsrum gehört ihm — Riesenareal. Haben Sie eine Karte?«
    Hy hatte die Karte aus der Maschine
mitgebracht und breitete sie jetzt auf einem Tisch aus. Wir beugten uns alle
drei darüber, und die Frau zeigte auf die betreffenden Bodenmerkmale.
    »Die Landebahn ist am Nordufer des
Sees, leicht zu erkennen, weil die Bäume sonst überall bis ans Wasser gehen,
und da steht auch ein kleiner Hangar. Die

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