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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Hütte ist hier, weiter westlich. Und
da« — ihr Finger wanderte nach Südwesten — »ist eine alte Holzabfuhrstraße,
gleich neben diesem kleinen Ried.«
    »Klingt, als seien Sie schon dort gewesen«,
sagte ich.
    »Einmal, vor Jahren. Da hatte J. D.
Baumaterial bestellt, das er in der Maule nicht transportieren konnte. Deshalb
hat er meinen Mann und mich gefragt, ob wir’s ihm rausfliegen könnten. Nach dem
Ausladen hat er uns noch auf einen Kaffee in seine Hütte eingeladen. So ist er
nun mal — ein richtiger Südstaatengentleman, wohlerzogen. Trotzdem konnte er’s
nicht erwarten, daß wir wieder losflogen.«
    Hy begann, die Karte zusammenzufalten.
Hielt inne. »Weißt du«, sagte er zu mir, »ich hab’s wirklich satt, John dauernd
aus irgendeiner Klemme zu helfen, in die er sich selbst reinmanövriert hat.«
    Ich wußte, worauf das abzielte —
geniale Finte. »Aber, Schatz —«
    »Nein, Häschen, diesmal ist es mir
wirklich ernst. Soll er doch den ganzen Winter dort draußen im Wald hocken und
saufen, wenn er es unbedingt will.«
    »Aber wenn —«
    »Nichts aber. John soll zur Abwechslung
mal selbst schauen, wie er da wieder rauskommt. Außerdem wäre es bestimmt keine
gute Idee, unangemeldet dort aufzukreuzen. Die Dame hier sagt doch, J. D. hat
jede Menge Waffen.«
    Ich mimte die Nachdenkliche. »Tja,
vielleicht hast du ja recht.«
    »Natürlich habe ich recht.« Und zu der
Frau gewandt, sagte er: »Vielen Dank für Ihre Mühe. Falls John irgendwann
wieder nüchtern sein sollte und zum Tanken hierherkommt — würden Sie ihm bitte
bestellen, daß Mick und Charlotte aus Minnetonka stinksauer auf ihn sind?«
    »Mach ich, Mister.«
     
    Der Wind blies noch heftiger, als wir
aus dem Trailer traten. Im Cockpit der Cessna suchte Hy die Nummer der nächsten
Wetterdienst-Station aus seinem Fliegerhandbuch heraus und rief über mein Handy
dort an. Ich sah nach Nordwesten — wo der Pickerel-See lag — und bemerkte noch
dichtere Quellwolkenhaufen am Horizont.
    Als Hy zu Ende telefoniert hatte, sagte
er: »Die Höhenwinde haben noch zugelegt, und Wolkenuntergrenze und Sicht nähern
sich dem Minimum. Von einigen Piloten wurden mäßige Niederschläge weiter
westlich gemeldet, aber die Front dürfte frühestens in einer Stunde hier
durchziehen. Noch wird von Sichtflügen nicht abgeraten. Entscheide du, McCone.«
    »Du bist der Pilot.«
    »Ich beuge mich deinem Urteil. Falls
du’s noch nicht weißt: Ich neige manchmal zu riskanten Flugunternehmungen.«
    Ich musterte die Wolken und dachte
nach. »Wir könnten doch diesen Pickerel-See mal in Augenschein nehmen und dann
nach Ely zurückfliegen, bevor die Front da ist. Wir bleiben über Nacht dort und
überlegen uns, was wir machen, wenn das Wetter wieder besser ist.«
    »Also los?«
    »Also los.«
     
     
     
     

21
    Der Pickerel-See hatte die Form eines
Fischs: Flossen, Schwanz und Maul bestanden aus sumpfigen Zuflußmündungen,
deren totes Röhricht aus dem Eis ragte. Die Bäume reichten ringsum bis ans
Wasser, außer am Nordufer, wo Dune Stirling einen Streifen für seine Landebahn
abgeholzt hatte. Neben der Bahn stand der Hangar; ein Flugzeug war nirgends zu
entdecken. Als ich das ansprach, sagte Hy: »Vermutlich im Hangar; in diesem
Klima läßt man keine Maschine draußen stehen, wenn es sich irgend vermeiden
läßt.« Er ging weiter runter und flog die Landebahn entlang. Das zweiflüglige Tor
des Hangars war geschlossen. Er zog wieder hoch und flog weiter das Ufer
entlang, erst west-, dann südwärts. Eine Zeitlang sahen wir nur Bäume und Eis,
dann tauchte rechter Hand eine weitere Lichtung auf. In der Mitte stand eine
Blockhütte mit einem Blechdach, umgeben von allem möglichen Zeug, das
größtenteils Schrott zu sein schien. Ein Boot lehnte hochkant am Geländer der
winzigen Eingangsveranda, und daneben stand ein ramponierter Motorschlitten.
    Ich sagte: »Vom Herrenhaus hierher.«
    Hy ging in den Gleitflug.
    Ich faßte ihn am Arm. »Er soll doch
nicht merken, daß wir uns hier umschauen.«
    »Augen auf, McCone. Da ist keiner. Aus
dem Schornstein kommt kein Rauch, und ohne Feuer würde er da drin erfrieren.«
    Er umrundete die Lichtung zweimal, aber
aus der Hütte kam niemand. Dann gab er Vollgas und flog wieder Richtung
Seeufer. »Wohin jetzt?«
    »Zu der Holzabfuhrstraße, von der die
Frau in Arrowhead gesprochen hat. Wenn sie in gutem Zustand ist, können wir
dort runtergehen, die Maschine verstecken und zu Fuß zurückmarschieren. Wir
sollten die

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