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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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den
angehaltenen Atem mit einem Seufzer der Erleichterung entweichen: wohl doch
Sportangler oder Jäger, die sich fragten, ob das hier das gesuchte Camp war.
Nicht Dune Stirling.
    Aber wo war er?
    Ich steckte die 3 8er in meine eine
Jackentasche und zog die Stablampe aus der anderen. Ich blieb im Schuppen, bis
die Maschine Höhe gewann. Sie brauchten mich nicht zu sehen, auch wenn sie noch
so harmlose Zeitgenossen waren. Ich leuchtete herum. Der Schuppen enthielt
Vorratsregale und eine improvisierte Werkbank voller Werkzeug, Schrauben und
dergleichen, eine Laterne und ein dickes, zusammengerolltes Seil. Neben dem
Tisch lag ein ziemlich neu aussehender Außenbordmotor und — »Oh, mein Gott!«
    Ein Mann lag bäuchlings auf dem
Erdboden, nur wenige Handbreit neben meinen Füßen. Er hatte Jeans, einen Parka
und Treckingstiefel an. Seine Beine waren gespreizt, und das blonde Haar auf
seinem Hinterkopf war von etwas verklebt, was wie Blut aussah.
    Ich ging in die Hocke und leuchtete
näher hin. Eine Schußwunde, groß und ausgefranst, vermutlich eine
Austrittswunde. Ich faßte ihn an der Schulter und versuchte ihn umzudrehen.
    Er war steifgefroren.
    Ich legte die Lampe hin und packte ihn
mit beiden Händen, kippte ihn auf die Seite und ließ ihn auf den Rücken fallen.
    Duncan Stirling.
    »Mein Gott!« rief ich aus. Mein Atem
war heiß, meine Stimme laut in diesem kalten, stillen Hort des Todes.
    Stirling hatte eine Kugel in die Stirn
gekriegt — ein sauber plazierter Schuß, der nur ein kleines Loch hinterlassen
hatte. Seine Augen waren offen, und im Tod waren sie ziemlich genauso, wie ich
sie mir im Leben vorgestellt hatte: leere, dunkle Krater ins Nichts.
    Er war die ganze Zeit hier gewesen —
tot.
    Und nur eine andere Person war
ebenfalls die ganze Zeit hier gewesen — lebendig.
     
    Ich war mitten in dem Minenfeld aus
Schrott, auf dem Weg zu Hy, um ihn zu wecken und ihm von meinem Fund zu
erzählen, als ich das Flugzeug wieder hörte.
    Ich suchte den Himmel ab, von Osten, wo
er jetzt eine blendende Explosion von Farben war, nach Süden. Das blaue
Kufenflugzeug schwebte hinter den Bäumen herab, vermutlich auf die
Holzabfuhrstraße, wo wir die Cessna 172 runtergesetzt hatten. Wer? Jemand, der
Stirling kannte, hätte die Landebahn benutzt, und Fremde würden wohl kaum bei
Schnee eine Landung in unbekanntem Terrain wagen. Es sei denn, jemand hatte die
Cessna entdeckt und den Such- und Rettungsdienst alarmiert. Aber würde der
nicht per Hubschrauber kommen?
    Der Pilot hatte das Gas weggenommen,
doch jetzt hörte ich den Motor aufdrehen. Zur Landung angesetzt, sich dann doch
dagegen entschlossen. Vollgas, Maschine abfangen, wieder aufsteigen. Eventuell
wenden, noch mal anfliegen — O nein, diesmal nicht! Keine zweite
Chance.
    Schleifen und Krachen, und selbst von
hier aus kann ich sagen, daß Äste abrasiert werden, und ich höre das Heulen der
Überziehwarnanlage, als säße ich im Cockpit... Der Aufprall, wie kann etwas so
hart auf dem Boden aufschlagen?
    Ich wandte mich nach rechts und rannte
in Richtung der Absturzstelle, wobei mir die eisige Luft bei jedem
verzweifelten Atemzug die Lunge zerstach.
     
    Ich stand keuchend da und starrte
entsetzt auf das Wrack. Das Kufenflugzeug hatte sich durch die Bäume am
jenseitigen Ende der Holzabfuhrstraße gepflügt und lag jetzt, zerknautscht und
mit der Passagierseite nach unten, auf der Straße selbst. Die rechte Tragfläche
war abrasiert, die linke zeigte himmelwärts, und die Pilotentür war bis an die
Strebe aufgesprungen.
    Ich tat einen zaghaften Schritt näher
heran. Aus dem Haufen verbogenen Metalls zischte und knackte es, und irgendwas
tropfte. Treibstoff. Extreme Explosions- und Brandgefahr, aber wenn jemand
lebend dort drinnen gefangen war...
    Nach kurzem Zögern ging ich so nahe
heran, daß ich durch die zerborstene Frontscheibe schauen konnte. Niemand auf
der Pilotenseite; er oder sie war herausgeschleudert worden. Auf dem
Passagiersitz hing eine Gestalt, aber diese Seite war so schlimm zerquetscht,
daß diese Person nicht mehr am Leben sein konnte. Erneutes Zischen und Knacken.
Ich retirierte und ging um das Wrack herum, auf der Suche nach dem Piloten. Im
Schnee entdeckte ich eine Fußspur, die sich in Schlangenlinien zu den Bäumen
hinüberzog, kurz hinter der Stelle, wo Hy und ich die Cessna unter einer
dichten Gruppe von Strauchkiefern versteckt hatten. Offenbar war er doch nicht
herausgeschleudert worden, sondern aus dem Cockpit geklettert, und irrte

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