Am Ende der Nacht
surrealen, futuristischen Flugplatz landen. Er hat
mich vergattert, ihn vor den Leuten dort nicht bei seinem Namen zu nennen.
›Hier bin ich jemand ganz anderes‹, erklärte er mir. ›Wenn Sie mich irgendwie
ansprechen müssen, dann sagen Sie J. D.‹ Und dann habe ich ihn abgesetzt und
bin mit der Silver Whisper südostwärts geflogen, in eine Stadt voller Brücken
und Flüsse. Und dort bin ich wie benommen und voller Angst herumgeirrt. Zach
hatte mir beim Abendessen die Story von einem seiner Science-fiction-Romane
erzählt, und ich habe es zuerst darauf geschoben.« Er trank wieder.
»Aber nachdem ich dann Win und Cal in
Los Alegres gesehen hatte, ging mir auf, daß der Traum eine reale Grundlage
hatte. Der Flugplatz war eine leicht abgewandelte Version von Arrowhead, wo ich
Dune mal hingeflogen hatte, als er wegen einer Knieverletzung außer Gefecht
war. Die Stadt der Brücken war Minneapolis, wo ich gewartet hatte, während Dune
tat, was immer er da oben zu tun hatte — er sagte, er wolle sich mit einer Frau
treffen. Ich weiß noch genau, wie ich ewig in Minneapolis herumgelaufen bin und
verwirrt war und Angst hatte, weil ich wußte, ich würde demnächst mit meinen
Beweisen zum FBI gehen. Warum ich ein Dutzend Jahre später plötzlich so sicher
war, daß er sich dorthin abgesetzt hatte, weiß ich auch nicht. Aber es war das
einzige, was mir in den Sinn kam, und auf jeden Fall ein Ansatzpunkt. Ich
plante die Sache durch und nahm einen Linienflug nach Chisholm-Hibbing, weil
das die einzige Flugzeugvermietung war, die eine Super Cub hatte — die
Maschine, mit der ich am besten zurechtkomme — und bereit war, sie einem
Fremden längerfristig zu vermieten. Und... na ja, alles Weitere wissen Sie ja
vermutlich.«
»Hatten Sie keine Angst, was Sie hier
erwarten könnte?« fragte ich. »Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, Dune könnte
hier dieselbe Art Unternehmen betreiben wie damals in Arkansas?«
»Doch, natürlich. Ich hatte vor, mir
die Sache erst gründlich aus der Luft anzuschauen. Aber er betreibt hier ja
nichts, oder? Wie’s aussieht, hat er sich völlig verkrochen.«
Walker trank wieder. Die Flasche war
bereits halb leer, und die Lider wurden ihm schwer. Rasch fragte ich: »Was
hatten Sie mit ihm vor, Ash?‹‹....
Er hustete, trank erneut und schaute
weg.
»Was hatten Sie vor?«
»Ich habe mir gesagt, ich spüre ihn auf
— hier oder woanders, wo immer er sein mag. Ich dachte dran, ihn dem FBI zu
übergeben, habe mir gesagt, daß das das richtige wäre. Aber dann dachte ich:
Schau dir doch an, was letztes Mal passiert ist. Was es für Andie und für dein
Leben bedeutet hat. Also beschloß ich statt dessen, ihn zu einem Deal zu
zwingen: Mein Schweigen im Tausch dagegen, daß er meine neue Familie und mich
in Ruhe lassen würde. Ich beschloß alles mögliche, aber...«
»Aber was?«
Er schüttelte den Kopf. Nach einer
langen Schweigepause sagte er: »Alles, was ich wollte, war, daß die Angst
endlich ein Ende hätte. Daß ich mich nicht mehr ständig umgucken müßte, nicht
immer drauf warten, daß wieder jemand zuschlägt. Ich wollte, daß Zach, Matty
und ich ein normales Leben leben könnten.« Hy sagte mit zornheiserer Stimme:
»Sagen Sie mir eins, Walker — als Sie die Überweisung auf Mattys Konto
veranlaßt und ihr den Brief geschrieben haben, dachten Sie da wirklich an sie?
Haben Sie einen Gedanken darauf verschwendet, was sie alles hätte aufgeben
müssen? Haben Sie ein einziges Mal an Ihren Sohn gedacht? Daran, was es für ihn
bedeuten würde, so aufzuwachsen, womöglich ohne Vater und ohne auch nur ein
Foto von seiner Mutter?«
Walker zuckte zusammen; die Flasche
glitt ihm aus den Fingern. Einen Moment lang starrten er und Hy einander an.
Hys Augen glommen vor Zorn, die von Walker waren stumpf vor Schwäche und
Schmerz. Dann kippte Walker seitwärts auf den Schlafsack, drehte uns den Rücken
zu und blieb in Embryonalstellung hegen. Hy gab einen angewiderten Laut von
sich. Als ich ihm ins Gesicht sah, erkannte ich, daß er ebenso sein eigenes
Verhalten meinte wie das von Walker. »Herrgott, McCone, halt mich fest«,
flüsterte er und zog mich an seine Brust.
Wir blieben eine ganze Weile so sitzen,
hörten Walkers rasselnden Atem tiefer werden. Schließlich stand ich auf, ging
zu ihm hinüber und zog ihm vorsichtig die Pistole aus dem Hosenbund. Hy drehte
die Lampe herunter, und wir zogen mit unserer einen Decke direkt neben die Tür
um, wo wir uns an die Wand lehnten.
Hy sagte:
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