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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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der Kerl eingezogen ist, der immer auf Flugzeuge
schießt?« Zum Glück hatte sie es getan. Als ich in den Geradeausflug ging,
sagte er: »Die Reisegeschwindigkeit von so einem Flugzeug ist ungefähr hundert,
stimmt’s?« Ja, sagte ich, das sei richtig. Und im Landeanflug auf Oakland
fragte er: »Wieso sind Sie von hier abgeflogen, wenn Sie in San Francisco
wohnen?« Ich erklärte ihm, daß ich mich in Oakland auskannte und keinen Grund
sah, mich dem B-Luftraum über SFO auszusetzen, wenn der C-Luftraum hier nicht
so überfüllt war.
    Danach sagte er nichts mehr, bis wir in
meinem MG über die Bay Bridge fuhren. »Das ist ja ein echter Oldtimer«, sagte
er. »War da viel dran zu machen?« Ein neuer Motor, einiges an
Karosseriearbeiten und eine neue rote Lackierung. Und ein paar Minuten später:
»Diese Habiba Hamid, bei der ich wohnen soll — was ist das für eine? Eine
Kameltreiberin oder was?« Ich antwortete, daß Habibas Vater aus dem arabischen
Emirat Azad gewesen sei und daß es ihr wohl nicht gefallen würde, als
Kameltreiberin bezeichnet zu werden. Statt einer Antwort fragte er: »Wann kommt
mich Matty holen?«
    »Sonntag nachmittag.« Vermutlich für
alle Beteiligten keine Sekunde zu früh.
    Doch während ich noch im Geist diese
Bemerkung anschloß, sah ich in Zachs blasses Gesicht und empfand plötzlich
Mitleid mit ihm. Mit seinen elf Jahren war er einfach einer fremden Frau
ausgeliefert worden, die wiederum im Begriff war, ihn zu fremden Leuten
abzuschieben. Sein Vater war verschwunden, Matty auf dem Weg zu einer Flugshow,
wo sie in einer gefährlichen inneren Verfassung fliegen würde. Und wenn ihr
irgend etwas passierte, war Zachs Zukunft äußerst ungewiß.
    Und außerdem — selbst angesichts der
Kameltreiber-Bemerkung war sein Verhalten immer noch höchst manierlich, verglichen
mit dem der Little Savages.
    Jetzt lockte ihn das Interesse an der
Pieranlage aus seinem Schneckenhaus. Als ich aus dem MG stieg, sagte er:
»Arbeiten Sie wirklich hier?«
    »Klar doch.«
    »Cool.«
    »Willst du dich ein bißchen umschauen,
während ich kurz mit meinem Büroleiter rede?«
    »Hm.« Er rannte zu der Eisentreppe, die
zu unserem Laufgang hinaufführte.
    Ich folgte ihm und tätschelte unterwegs
einen der Oleander in den Redwoodbottichen am Fuß der Treppe — eine Anschaffung
von Ted, der behauptete, diese Pflanzen liebten dürftiges Licht und Abgase. Und
dem mußte wohl auch so sein, denn in ihrer Vitalität stellten sie die Ficus-
und Zitrusbäumchen und Zierkoniferen der anderen Mieter weit in den Schatten.
    Die Tür zu Teds Büro, das zwischen
meiner Detektei und dem Anwaltsbüro lag, stand offen. Während Zach den
Metallsteg entlangrannte, klopfte ich an den Türrahmen, trat ein und blieb jäh
stehen. Zwei Pappkartons voller künstlicher Tannengrüngirlanden, Lichterketten
und Weihnachtsschmuck versperrten mir den Weg. Ted, ein adretter Typ mit einem
Kinnbärtchen und einer Vorliebe für luxuriöse Westen und Jacketts zu seinen
verschossenen Jeans, sah von dem mit Papierstapeln vollgetürmten Schreibtisch
auf und lächelte.
    »Du bist wieder da!« rief er, als sei
meine Ankunft ein mittleres Wunder. Ted sorgte sich jedesmal schrecklich, wenn
ich mit dem Flugzeug unterwegs war, weil er fest davon ausging, daß mir
irgendeine böse Naturkraft oder meine eigene Unfähigkeit zum Verhängnis werden
würde. Ich würde ihn nie davon überzeugen können, daß der Zwanzig-Minuten-Flug
von Los Alegres nach Oakland im Vergleich zu der
Vierzig-Minuten-Stoßverkehrsfahrt über den Freeway und die Bridge absolut
harmlos war.
    »Ich bin wieder da. Irgendwelche
Botschaften?«
    »Deine Schwester Charlene will zurückgerufen
werden. Und Mick ist noch in seinem Büro, falls du ihn für irgendwas brauchst.«
    »Okay, danke. Was ist das hier für ein
Zeug?« Ich stupste mit dem Fuß gegen einen der Kartons.
    »Weihnachtsdekoration, Sachen, die Neal
und ich aus unserer jeweiligen Kollektion aussortiert haben.« Neal Osborne war
Secondhand-Buchhändler und Teds neuer Partner; sie bewohnten zusammen eine
schicke Wohnung in einem Art-Deco-Haus auf dem Telegraph Hill.
    »Warum hast du das ins Büro
mitgebracht?«
    »Ich dachte, ich könnte das eine oder
andere für den Wettbewerb stiften.«
    »Welchen Wettbewerb?«
    Er verdrehte die Augen. »Liest du denn
nie die Memos, die ich in deinen Postkorb lege? Die Mieter veranstalten einen
Dekorationswettbewerb, und wir, meine Liebe, werden den ersten Preis gewinnen.«
    Ich sah auf den Karton

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