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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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sagen würde, wenn
sie dich jetzt so sehen könnte?«
     
    Matty und ich entdeckten den
zusammengerollten Schlafsack auf der rückwärtigen Veranda des Farmhauses im
selben Moment. Der Unterkiefer klappte ihr vor Erstaunen herunter, und sie
stürzte auf die Treppe zu.
    John ist wieder da, dachte ich. Ich
brauche nicht mal eine Akte anzulegen.
    Doch dann rief sie: »Zach? Zach, was
machst du hier?«
    Der Junge, den ich auf dem Foto gesehen
hatte, erschien in der offenen Tür: größer und schmaler infolge eines dieser
jähen Wachstumsschübe, die Kids in diesem Alter durchmachen. Seine Bewegungen
waren eckig, als fühle er sich in diesem neuen Körper noch nicht recht zu
Hause.
    Matty fragte: »Wieso bist du nicht bei
Kevin?«
    »Er ist krank. Seine Mom hat gesagt,
bei ihm kann keiner übernachten.« Zach schob defensiv die Lippen vor, als
fürchte er, sie würde ihm die Schuld geben.
    »Mist!« Sie schlug mit der flachen Hand
auf das Verandageländer, wandte sich ruckartig ab und rang sichtlich um
Selbstbeherrschung. Zach war zusammengezuckt.
    Matty schloß die Augen und bewegte die
Lippen, formte stumm: Was jetzt? Ich runzelte die Stirn, weil mich ihre extreme
Reaktion auf die ungeplante Rückkehr des Jungen verdutzte.
    Sie atmete ein paarmal tief durch,
drehte sich dann wieder um und legte den Arm um Zach. »Ist nicht wegen dir,
Kiddo«, sagte sie. »Ehrlich nicht.«
    Er sträubte sich einen Moment, lehnte
sich dann an sie. »Ich weiß — du bist sauer auf Dad.«
    »Nein, ich bin nicht sauer. Ich mache
mir Sorgen, und ich wünsche mir, daß er wieder zurückkommt.«
    »Ich auch.« Aber etwas in Zachs Blick
sagte, daß er es nicht gewohnt war zu kriegen, was er wollte, und nicht viel
Hoffnung hatte, daß ihm dieser Wunsch erfüllt würde.
    Matty mußte das auch bemerkt haben. Sie
führte ihn zu mir herüber und sagte: »Hey, du weißt doch noch, gestern abend,
wie ich dir gesagt habe, ich würde mit einer Person reden, die sich mit solchen
Sachen auskennt? Okay, das ist sie — Sharon McCone, eine ehemalige Schülerin
von mir und Privatdetektivin. Sie wird deinen Dad finden.«
    Zach sah mich an, ohne auf meine
Begrüßung zu reagieren. Sein Blick war skeptisch.
    »Und jetzt«, sagte Matty, »müssen wir
das Problem lösen, wo du übernachten kannst.« Zu mir gewandt, fuhr sie fort:
»Ich habe morgen eine Flugshow nördlich von Sacramento. Ich muß heute abend
schon hinfliegen.«
    Zach sagte: »Ich habe alle meine
Freunde schon angerufen. Nichts drin. Was ist mit Onkel Wes?«
    »Er und Tante Karla fahren übers
Wochenende zu ihrer Tochter nach Danville.« Matty biß sich nachdenklich auf die
Unterlippe. »Ich bin groß genug, um allein —«
    »Nein. Nicht, weil ich dir nicht
vertraue, Kiddo, aber bis dein Dad zurück ist, will ich dich nicht allein
lassen. Er würde mir den Kopf abreißen, wenn er das Gefühl hätte, ich kümmere
mich nicht richtig um dich.«
    Natürlich war das nicht der einzige
Grund. Sie hatte Angst, jemand könnte Zach etwas tun, weil da diese
undurchsichtige Geschichte mit seinem Vater war. Und Zach wußte das; der Junge
war nicht dumm.
    Plötzlich hatte ich auch Angst — um
Matty. Mit dieser Belastung im Kopf, wie sollte sie da morgen fliegen —
gerissene Rollen und Männchen und kubanische Achten, mit enormem Tempo, in
geringer Höhe und auf eng abgezirkeltem Raum?
    Ich sagte: »Vielleicht sollten Sie die
Show morgen absagen.«
    »Geht nicht. Ich habe mich
verpflichtet. Es ist die letzte Show in diesem Jahr, und ich brauche das Geld.
Und außerdem — wenn ich morgen nicht fliege, lasse ich mich von dieser Sache
unterkriegen. Wenn man einmal damit anfängt, verliert man bald sein ganzes
Selbstvertrauen.«
    Das verstand ich nur zu gut. Ich hatte
in diesem Jahr mit einer gemieteten zweimotorigen Beechcraft einen
Beinahe-Zusammenstoß erlebt, der mich fast mein ganzes Selbstvertrauen gekostet
hätte. Um ein Haar.
    »Tja«, sagte ich, »warum nehmen Sie
Zach nicht einfach mit?«
    »Sie haben doch das Foto von meiner
Maschine gesehen. Wo ist da der Passagiersitz?«
    »Oh, klar.« Plötzlich bemerkte ich
ihren taxierenden Blick.
    »Was?«
    Sie musterte mich immer noch und begann
zu lächeln. Zach sah zwischen uns hin und her. Dann verschränkte er die Arme
vor der Brust und versuchte, uns beide zu ignorieren. Matty nickte mir
ermutigend zu. Ich zog die Brauen zusammen.
    Verdammt, ich wußte, was sie wollte.
Und das schlimmste war, daß Zach es auch wußte. Er gab sich alle Mühe, so zu
tun, als

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