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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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gegen ihn, sah den Piloten die Maschine abfangen, nur ein paar hundert Fuß
über der Landebahn. Hy fragte: »Hast du in Los Alegres was rausgefunden?«
    »Ja — etwas, was Matty gar nicht
gefallen wird.« Während mein Blick immer noch der blauen Maschine folgte,
berichtete ich Hy von meinen Gesprächen mit Mick, Bob Cuda und Gray Selby.
    »Feiner Kerl, dieser Seabrook«, sagte
Hy, als ich fertig war. »Hat sie angelogen, der Schweinehund. Sie und sein
eigenes Kind schutzlos im Stich gelassen. McCone, wir müssen ihnen helfen.«
    »Das werden wir auch.«
    »Du klingst so zuversichtlich.«
    Ich sagte achselzuckend: »Das ist der
erste Schritt zum Zuversichtlichsein.«
    »Aufgepaßt, Herrschaften!«
    Das Raunen der Menge schwoll an, als
der blaue Doppeldecker am höchsten Punkt eines Loopings in eine schnelle Rolle
überging. »Meine Güte«, sagte ich zu Hy. »Was macht er da?«
    »Das nennt sich ›Avalanche‹.«
    »Klingt gefährlich.«
    »Kann es auch werden.«
    Der Doppeldecker ging aus der schnellen
Rolle nahtlos in den Abwärtsbogen des Loopings über.
    »Einen Riesenapplaus für Joe,
Herrschaften!«
    Neben mir sagte die junge Frau, die uns
die Plätze freigehalten hatte, zu ihrem wesentlich älteren Begleiter: »Warum
macht jemand freiwillig so was?«
    »Weil es Spaß macht, Schatz.«
    Ich sah Hy an. Unsere Blicke trafen
sich. Ja und nein, sagten seine Augen. Ich nickte.
    Die Kunstfliegerei hat viele Aspekte,
und Spaß ist nur einer davon. Das Ganze ist auch eine Frage von Disziplin und
Opferbereitschaft, endlosem Üben und permanenter Selbstprüfung. Es geht dabei
um Macht und Kontrolle: die Maschine dazu zu kriegen, daß sie genau das macht,
was man will. Es geht darum, der Natur zu trotzen: der Schwerkraft und den
menschlichen Schwächen ein Schnippchen zu schlagen. Es geht um die Überwindung
von Angst und das Hinausschieben der eigenen Grenzen.
    Und auf professionellem Niveau
schließlich geht es um die Lust am Auftritt. Die Piloten, die für Geld und Ruhm
Kunstflugdarbietungen liefern, sind die Rock’n’ Roller der Fliegerei. Doch
statt ihre Namen in Neonschrift leuchten zu sehen, schreiben sie ihre Kunst mit
Rauch an den Himmel.
    Der Doppeldecker schoß jetzt fast
senkrecht empor, tauchte dann ebenso steil wieder herab und fing sich mit
sekundenbruchteilgenauem Timing. Während die Menge noch jubelte, gewann er
wieder Höhe und setzte gemächlich zum Landeanflug an. Doch im Endanflug
wackelte der Pilot noch mit den Tragflächen — ein übermütiger Gruß an die
Zuschauer. Sie quittierten die Landung mit anerkennendem Gejohle.
    Ich spähte über das Flugfeld zu Mattys
gelber Maschine hinüber; sie wirkte so klein und zerbrechlich, wie sie dort am
Rollhalteort stand. Die Lautsprecheranlage krächzte und pfiff.
    »...Matty Wildress, die im September
bei den amerikanischen Kunstflugmeisterschaften den zweiten Platz belegte.
Matty fliegt eine Stirling Silver Star-Spezial — dreihundertsechzig PS, mit
einer Rollkapazität von dreihundert Grad pro Sekunde. Dieses in Arkansas
gebaute Ganzmetallflugzeug...«
    Ich blendete die Stimme des
Platzsprechers aus, als Matty auf die Rollbahn ausbog. Vollgas, Fahrt gewinnen
und weich anziehen. Sie begann ihre Vorführung mit einem simplen Looping; sie war
bekannt dafür, daß sie mit den Zuschauern spielte, indem sie mit täuschend
einfachen Figuren begann und dann plötzlich richtig loslegte. Im Geist vollzog
ich ihre Aktionen mit: Knüppel anziehen; Vollgas, wenn die Star durch die
Vertikale geht; Knüppel locker lassen, wenn sie im Rückenflug den höchsten
Punkt passiert; im Abwärtsbogen Gas wegnehmen. Maschine abfangen und
geraderichten.
    In Gedanken nicht schwer, aber ich war
holprige Loopings in sechseinhalbtausend Fuß Höhe geflogen, und sie flog einen
perfekten, nur wenige hundert Fuß über dem Boden.
    »Ziemlich banaler Anfang«, bemerkte der
Mann neben uns. Wieder wechselten Hy und ich einen Blick. Wart’s ab.
    Die Star schoß empor und zog eine
Rauchfahne hinter sich her. Schraubte sich höher und höher — eine Ballerina bei
einer Pirouette. Dann im Sturzflug wieder herab. Und Abfangmanöver, etwa
hundert Fuß über der Rollbahn. Der Sprecher stieß einen bewundernden Ausruf
aus, die Menge johlte.
    Als nächstes eine hohe Spirale, die
eine korkenzieherförmige Rauchspur hinterließ. Dann eine langsame Rolle in
Normallage, schwieriger als eine schnelle. Ein hoher Looping, gefolgt von einer
Serie fröhlicher S-Figuren, die Schlangenlinien an den

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