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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Ist
das ein Verbrechen?« Selby ignorierte die Frage. »Wenn man hinter einer
größeren Maschine startet, wo sollte man dann losrollen, um Wirbelschleppen zu
meiden?«
    »Am selben Punkt wie die größere
Maschine oder vorher.«
    »Und hochziehen?«
    »Vor dem Abhebepunkt der größeren
Maschine.«
    »Wie viele Flugstunden hatten Sie
hinter sich, als Sie das gelernt haben?«
    »Zehn? Zwölf? Keine Ahnung.«
    »Tja, Seabrook hat das mit null Stunden
gewußt.«
    »Mit wem hat er sich darüber
unterhalten?«
    »Mit Mark Casazza, über die riskante
Art, wie ein Schüler von Mark hinter einer Citation gestartet ist.«
    »Ah.«
    »Da waren noch andere Sachen, und alle
verdammt komisch.«
    »Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen.
Und wie lange haben Sie diese Lauscherei« — Selby runzelte die Stirn, und ich
verbesserte mich — »wie lange haben Sie die Ohren offengehalten?«
    »Sechs Monate etwa, alles in allem,
sooft sich die Gelegenheit ergab. Und Notizen hab ich mir auch gemacht. Und vor
etwa drei Wochen hab ich dann beschlossen, mich mal mit dem guten John zu
unterhalten.«
    »Worüber?«
    »Essen Sie den halben Burger da noch?«
    Ich hatte es vorgehabt, aber um der
Aufrechterhaltung unseres fragilen Rapports willen schob ich ihm meinen Teller
hin. »Worüber?« wiederholte ich.
    »Übers Wetter.«
    »Übers Wetter?«
    »War das einzige Thema, was mir einfiel,
wo er nicht mißtrauisch werden würde. Er war sowieso schon auf der Hut vor mir
— Matty muß ihm wohl gesagt haben, daß sie mich von Herzen haßt. Also hab ich
mich ihm gegenüber beschwert, daß ich am Vortag meine Stunden wegen der
niedrigen Wolkenuntergrenze hätte ausfallen lassen müssen. Ich habe gesagt,
hoffentlich könnte ich sie heute alle durchziehen, ehe die Wolken wieder
runterkämen. Und Seabrook hat gemeint, wahrscheinlich würde ich’s schaffen,
wenn ich in der Platzrunde bliebe, weil da immer noch vierhundert Fuß Spielraum
wären und die Wolkendecke ziemlich statisch wirkte.«
    »Und was besagt das?«
    »Lassen Sie mich kurz Ihr Gedächtnis
auffrischen, wie das mit der Platzrundenregelung hier ist. Die Wolken hingen
direkt über den Bergen —«
    »Zweitausend Fuß.«
    »Und die Regelhöhe ist —«
    »Elfhundert.«
    »Zweitausend minus elfhundert macht
neunhundert.«
    »Minus der vorgeschriebenen fünfhundert
Abstand zur Wolkendecke macht vierhundert.«
    Selby grinste triumphierend. »Der Kerl
kannte nicht nur die Sichtflugvorschriften, sondern auch die Höhe dieser Berge
und unsere Platzrundenregelung.«
    Ich dachte kurz nach. »Könnte er das
nicht aus Gesprächen mit Matty wissen?«
    »Er ist kein Flieger, steht nicht mal
auf Fliegen. Warum sollten sie über so was geredet haben? Und selbst wenn,
wieso hätte er sich’s merken sollen? Oder so schnell ausrechnen können?«
    »Das stimmt. Wieso? Es sei denn —«
    »Das ist noch nicht alles. Von da aus
habe ich das Gespräch auf den Absturz am Somona Mountain gebracht. Letzten
Monat, Sie haben’s doch sicher gelesen?«
    »Ja.« Je länger ich fliege, desto öfter
ertappe ich mich dabei, wie ich Zeitungsartikel über Flugzeugabstürze studiere
— nicht, um mich selbst verrückt zu machen, sondern um mich zu vergewissern,
daß sie auf irgendwelche Pilotenfehler zurückgingen, die ich hoffentlich nie
machen würde.
    »Tja«, fuhr Selby fort, »dabei hab ich
das Unfallfunkfeuer erwähnt, und der Teufel soll mich holen, wenn Seabrook
nicht genau gewußt hat, daß das auf 121,5 sendet.«
    »Wie haben Sie das rausgefunden?«
    »Er hat mich korrigiert, als ich 121,7
gesagt habe. Ich hab so getan, als hätt ich’s mit unserer Platzfrequenz hier
durcheinandergebracht - 122,7.«
    Ich rührte mit dem Trinkhalm in meinem
Eistee und dachte darüber nach. Nur sehr wenige Nicht-Flieger wissen etwas über
das Unfallfunkfeuer — ein für alle Flugzeuge vorgeschriebenes Sendegerät, das
durch einen Aufprall ausgelöst wird und Notsignale auf zivilen und
militärischen Frequenzen sendet.
    Ich sagte: »Das Unfallfunkfeuer sendet
auf einer universellen Notruffrequenz; das könnte er auch wissen, wenn er zum
Beispiel mit Seefahrt zu tun gehabt hätte.«
    »Mag sein, aber wenn man dazunimmt, was
ich sonst noch aufgeschnappt habe...«
    »Sie wollen also sagen, John Seabrook
ist Flieger?«
    Selby nickte. »So, wie ich die Sache
sehe, will der Bursche aus irgendeinem Grund nicht, daß Matty oder sonst jemand
was davon erfährt. Aber er kann fliegen, und er liebt die Fliegerei. Warum
sollte er sonst dort

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