Am Ende der Nacht
meine Tasche. »Können wir jetzt los?«
»Ja, aber ich will noch kurz am Empfang
fragen, wann Mattys Mechaniker sein Zimmer geräumt hat. Ich wette, heute morgen
schon und nicht erst heute nachmittag.«
»Ich verstehe gar nichts.«
»Als Matty und ich nach dem Mittagessen
auf den Platz zurückkamen, war der Mechaniker Ed Cutter verschwunden. Er hat
uns heute morgen erzählt, er wolle noch eine Nacht bleiben und heute abend mit Freunden
feiern, aber dann hat er Matty eine Nachricht hinterlassen, er müsse wegen
einer dringenden Familienangelegenheit weg. Sie hat das für bare Münze
genommen. Ich hätte es nicht tun dürfen.«
»Du meinst, es war Cutter, der an der
Maschine herummanipuliert hat?«
»Wer sonst? Unser Mann war schon da,
bevor wir mit der Flugvorbereitung fertig waren, und ich habe ihn angewiesen,
niemanden außer Cutter auch nur in die Nähe zu lassen. Als Matty und ich auf
den Platz zurückkamen, hat er gesagt, Cutter habe im Cockpit herumgewerkelt,
aber sonst habe kein Mensch die Maschine berührt.«
»Was glaubst du, was Cutter dort drin
gemacht hat?«
»Irgendwas installiert — eine
Rauchbombe, was weiß ich. Vermutlich ferngezündet. Cutter kannte Mattys
Programm, er muß gewußt haben, in welcher Höhe und Lage sie die Maschine nicht
mehr würde abfangen können, falls sie abgelenkt würde.«
»Dann hat er also nur so getan, als ob
er fortmüßte —«
»Und in Wahrheit irgendwo unter den
Zuschauern gesessen und auf den Knopf gedrückt. Verdammt, McCone, ich habe mich
total in ihm getäuscht, und das verzeihe ich mir nie.«
Zwei Stunden später kamen wir bei dem
Haus in Seacliff an. Rae machte uns auf, sah mir einmal kurz ins Gesicht und
nahm mich in die Arme. Ricky tauchte auf, umfaßte Hys Hand und sagte: »Tut mir
leid, Mann.«
Hy nahm die Beileidsbekundung mit einem
distanzierten Nicken entgegen. Auf dem ganzen Rückflug von Sacramento war er
schweigsam gewesen, so schweigsam wie Zach gestern auf dem Flug von Los Alegres
hierher. Als Rae mich losließ, fragte ich: »Wie geht’s Zach?«
»Er ist immer noch auf der Terrasse und
redet kein Wort. Ricky und Habiba haben versucht, zu ihm durchzudringen —
vergebens.«
»Laß mich mal.« Ich flüchtete auf die
Toilette, wo ich mir das Gesicht wusch und eine gefaßte Miene aufzusetzen
versuchte. Dann ging ich nach unten.
Im Souterrain des Hauses gab es hinten
eine freitragende Terrasse, die hoch über dem Strand von China Beach schwebte.
In der dichter werdenden Dämmerung sah ich Zachs schmale Gestalt aufrecht und
völlig reglos am Geländer stehen. Der kräftige Seewind zauste seine Locken und
ließ sein zu dünnes Baumwollhemd wie eine Flagge peitschen. Ich ging durch den
Raum, den Rae und Ricky als Aufenthaltsraum für die Kinder eingerichtet hatten,
blieb dann aber stehen, als ich Habiba an der Glasschiebetür entdeckte.
Sie stand genauso still da wie Zach,
wachsam, eine Hand um die Kante des buntgemusterten Vorhangs gekrallt. Ihre
Knöchel waren weiß vor Anstrengung, und als ich neben sie trat, sah ich eine
Träne über ihre Wange kullern. Ich wischte sie mit den Fingern weg.
Ohne mich anzuschauen, sagte sie: »Er
steht schon die ganze Zeit so da, seit wir’s im Fernsehen gesehen haben.«
»Rae sagt, du hast versucht, mit ihm zu
reden.«
»Er hat gesagt, ich soll weggehen.«
»Es tut ihm weh, Habiba.«
»Weiß ich ja. Aber ich dachte, ich
könnte ihm helfen. Mir ist genauso weh getan worden.«
»Du kannst ihm helfen. Laß ihm nur ein
bißchen Zeit.«
Nach einem kurzen Moment ließ sie
seufzend den Vorhang los. »Sharon, warum müssen solche Sachen passieren?«
»Sie müssen nicht passieren. Sie...
passieren einfach.« Was für eine unzulängliche Antwort. Ich fühlte mich selbst
ganz klein und ohnmächtig.
Nicht so Habiba. Sie wandte sich mir
zu, und ihre dunklen Augen funkelten. »Das sollten sie aber nicht!«
»Nein.«
»Wirst du Zachs Vater zurückholen?«
»Ich werd’s versuchen.« John Seabrook
zu finden, war jetzt doppelt notwendig. Nur er konnte mir sagen, wer einen
Grund gehabt hatte, Matty umzubringen.
»Streng dich an«, sagte Habiba. »Er
braucht seinen Vater... so wie ich meinen gebraucht hätte!«
Erstaunt über den vorwurfsvollen
Unterton in ihrer Stimme, musterte ich sie genauer. Ja, ihr Zorn richtete sich
gegen mich. Es gab mir einen schmerzhaften Stich, als ich begriff, daß sie
irgendwann zwischen letztem Frühjahr und jetzt herausgefunden haben mußte, daß
ich hilflos dabeigestanden
Weitere Kostenlose Bücher