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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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lassen. Ja, ich werde fliegen — mit Mark. Er hat
mir versprochen, nichts zu tun, was mir noch mehr Angst macht, als ich eh schon
hab. Komisch, ich wollte mein Leben lang fliegen und hab mich doch nie
überwinden können. Aber für Matty kann ich’s.«
    Sein Leben war im Begriff, sich zu
verändern. Matty hatte das Leben so vieler Menschen verändert, und das gelang
ihr auch noch im Tod.
    Ich fragte: »Wo ist dieses Plätzchen?«
    »Draußen an der Küste — Bodega Head.
Nicht weit von da ist ein Privatlandeplatz. Der Besitzer war mit Matty
befreundet, wir können dort landen.«
    Ich hätte es wissen müssen. Vor ein
paar Jahren waren Hy und ich in Los Alegres gewesen und mit Matty in der alten
Schul-Cessna 172 in diese Richtung geflogen. Über der Landzunge dort, wo die Bodega
Bay ins offene Meer übergeht, hatte sie mich gebeten, das Steuer zu übernehmen,
und still auf dem linken Sitz gesessen und heiter-entspannt runtergeguckt.
Bodega Head war zwar schön, aber doch nicht schöner als viele andere
Küstenstellen, und ich hatte mich gefragt, was dieser Ort für sie Besonderes
hatte.
    Jetzt spürte ich einen wehmütigen Stich
in der Brust, als ich begriff, daß ich es nie erfahren würde.
     
     
     
     

13
    Die Frau im Flugschulbüro war gerade am
Telefonieren, also ging ich um den Tresen herum und schaute selbst auf den
Plan: Nur Gray Selby unterrichtete heute.
    »Das paßt«, knurrte ich, während ich mit
dem Finger die Spalte hinunterfuhr und feststellte, wann er von seiner letzten
Flugstunde zurückkommen mußte. Durch eine solche Kleinigkeit wie einen
tödlichen Absturz innerhalb der Flugplatz-Familie ließ sich doch ein Selby
nicht aus seiner Alltagsroutine bringen. Teufel noch mal, er schnappte sich
wahrscheinlich gerade Mattys Schüler.
    Wieder draußen, schaute ich zu den
Bergen empor und sah, daß sich über ihnen dunkelbäuchige Wolken türmten. Der
Wind hatte gedreht, die Luft war kühler geworden. Novemberwetter, rasch
wechselnd und für Flieger gefährlich. Ich mußte daran denken, wie Matty einmal
mit geübtem Blick den spätherbstlichen Himmel studiert und zu mir gesagt hatte:
»Wenn ich so was sehe, weiß ich, da kommt was.«
    Sie sagte es so bestimmt, daß ich mir
sicher war, gleich in die Mysterien des Wetters eingeführt zu werden, und ich
fragte eifrig:
    »Was?«
    Sie hatte achselzuckend geantwortet:
»Irgendwas.«
    Bei dieser Erinnerung mußte ich nicht
lächeln, wie das sonst wohl der Fall gewesen wäre. Vielmehr überkam mich eine
neue Welle der Trauer und der Wut auf die Person, die Matty auf dem Gewissen
hatte.
    Als ich auf den Parkplatz der
Seabrookschen Weihnachtsbaumfarm fuhr, setzte der Regen ein — dicke,
platschende Tropfen, die mich in meinem MG einsperrten, bis es nach ein paar
Minuten nachließ. Das rot-grüne Holzhaus zierte eine Tannenzweiggirlande, mit
gold- und silberfarbenen Bändern umwunden, die jetzt völlig durchweicht waren.
Holzrentiere tummelten sich auf dem schmalen Rasenstück. Ein schmutzig-weißer
Pickup stand rechts neben dem Gebäude, und ich klopfte an das zweiflüglige Tor,
in der Hoffnung, Wes Payne anzutreffen.
    Nach ein paar Sekunden wurde ein Riegel
geöffnet, und die eine Torhälfte schwang auf. Payne lugte heraus. Heute sah er
nicht aus wie ein fröhliches Weihnachtsmanndouble. Sein Gesicht war blaß, die
Augen gerötet, der Mund hart. Er blinzelte verdutzt, als er mich erkannte.
    »Sie hätten doch nicht den ganzen Weg
hierherzukommen brauchen, nur weil ich angerufen habe.«
    »Sie haben mich angerufen? Wann?« Ich
trat meine Dreckschuhe auf einer Fußmatte ab und folgte ihm hinein.
    »Vor zwei, drei Stunden. Ich wußte
nicht recht, ob ich’s tun sollte, aber die Frau hat gemeint, es sei das einzig
Richtige.«
    »Was ist passiert?«
    »Zach ist verschwunden. Die Frau und
ich, wir waren übers Wochenende bei unserer Tochter in Danville. Wie wir das
mit Matty gehört haben, wollten wir bei den Leuten anrufen, wo der Junge hätte
sein sollen, aber dort war keiner. Gestern abend haben wir sie dann endlich
erreicht, und es hat sich rausgestellt, daß er gar nicht dort war, weil der
Sohn von den Leuten krank geworden ist — so krank, daß sie die letzten drei
Tage hauptsächlich im Krankenhaus von Santa Rosa zugebracht haben.«
    »Himmel, ich hätte Ihnen Bescheid sagen
sollen! Zach ist am Freitag mit mir nach San Francisco geflogen. Er ist jetzt
dort bei Freunden von mir.« Wie dumm, nicht bedacht zu haben, daß sich die
Paynes Sorgen machen

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