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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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gewunden.
Sie sah über ihre lange Nase auf mich herab, auf eine Art, die hochmütig
gewirkt hätte, wäre da nicht die lebhafte Neugier in ihren blauen Augen
gewesen. Als ich ihr meinen Ausweis zeigen wollte, wedelte sie ihn weg.
    »Kommen Sie schnell rein!« rief Iona
Fowler. »Kalt wie Hexentitten heute, aber ich habe Kaffee gemacht und ein Feuer
im Ofen. Nein, Jody, du nicht, du bist ganz dreckig, weil du wieder durch den
Bach toben mußtest.« Sie drängte den Collie mit dem einen bestiefeiten Fuß
zurück, hielt mir die Tür auf und schloß sie demonstrativ vor dem Hund.
    Der Raum, den ich betrat, war
gemütlich, mit prallen Polstersesseln um einen Holzofen und vielen Pflanzen. An
den Wänden hingen bunte Quilts, und in einem Erker standen eine Nähmaschine und
daneben ein Tisch voller bunter Stoffschnipsel. Iona Fowler deutete auffordernd
auf die Sessel und ging uns Kaffee aus der Küche am anderen Ende des Hauses
holen. Als sie wiederkam, wärmte ich mir gerade die Hände am Ofen.
    »Hübsch hier«, sagte ich, als sie sich
in den Sessel mir gegenüber setzte, die Stiefel auszog und die langen, jeansbehosten
Beine unterschlug.
    »Danke. Das Plätzchen war wohl für mich
bestimmt, kam an dem Tag auf den Markt, als ich beschloß, aus Fayetteville
wegzugehen.«
    »Wie sind Sie gerade auf diese Gegend
gekommen?«
    »Ich hatte Freunde in Berryville. Als
mein Leben in Trümmer ging, haben sie gemeint, ich solle doch mal kommen und
mich nach einem Haus umschauen.«
    »Ihr Leben ging in Trümmer? Inwiefern?«
    »Stimmt — Sie können das ja nicht
wissen. Hatte mit meiner Artikelserie über Stirling Aviation zu tun. Nach den
Prozessen sprach mich ein New Yorker Verlag an, ob ich nicht Lust hätte, die
Serie zu einem Buch auszubauen. Krimis, die das Leben schreibt, Sie wissen
schon. Als ich denen sagte, an der Sache sei mehr dran, als die meisten Leute
ahnten, und ich traute mir zu, es zusammenzupuzzeln und durch Beweise zu
untermauern, da waren sie noch enthusiastischer. Wir waren gerade dabei, den
Vertrag auszuhandeln, als die Drohungen einsetzten: nächtliche Anrufe, kleinere
Übergriffe auf mein Haus und meinen Wagen.
    Na ja, ich bin nicht so leicht
einzuschüchtern, aber als nächstes löschte jemand die Stirling-Dateien aus
meinem Redaktionscomputer. Nicht weiter schlimm, ich machte immer Disketten.
Aber in derselben Nacht, noch ehe ich Kopien machen und an einen sicheren Ort
bringen konnte, wurde mein Haus angezündet, und ich verlor alles. Nicht nur die
Disketten, sondern auch Bänder mit Interviews und meine Notizen über das, was
mir gesagt worden war, ohne daß ein Band mitlief. Und als zwei Tage später vor
dem Haus einer Freundin, wo ich untergekommen war, jemand auf mich schoß, sagte
ich mir, zum Teufel damit. Ich hatte meinen Job sowieso aufgeben wollen, um das
Buch zu machen, und an dem Tag, als das Versicherungsgeld kam, verließ ich die Democrat
Gazette und Fayetteville.
    »Was glauben Sie, wer hinter dem Ganzen
steckte?«
    »Der alte Stirling und seine
politischen Gesinnungsfreunde. Ich war an einer Story über Korruption in
höchsten Kreisen und hatte kein Geheimnis daraus gemacht.«
    »Sie meinen, daß der Vater seine
Beziehungen spielen ließ, um den Sohn gegen Kaution freizukriegen?«
    »Ich bin überzeugt, das war nur die
Spitze des Eisbergs.«
    »Ach?«
    Fowlers Blick wich meinem aus. »Fragen
Sie mich nicht, was da lief. Ich weiß es nicht. Ich bin nicht dazu gekommen,
ernsthaft zu recherchieren. Oh, ich hätte das Material wahrscheinlich
größtenteils rekonstruieren können, aber das schien mir so eine riesige
Aufgabe, zumal in meinem deprimierten Zustand.« Irgendwas stimmte da nicht. Da
war etwas, was sie mir nicht sagte. »Wissen Sie«, fuhr sie jetzt fort, »ich kam
hier rauf und habe zwei ganze Jahre nur rumgesessen und mich selbst
bemitleidet. Aber dann bin ich eines schönen Frühlingsmorgens aufgewacht und
habe mir gesagt: ›Mädchen, es ist Zeit, daß du was tust, also raff dich auf,
fahr in die Stadt und melde dich für diese Kurse in Viehzucht und Quilten an.‹«
Ihr breiter Mund verzog sich zu einem Grinsen. »Jetzt habe ich all diese
Fleischkühe und diesen ganzen Stoff. Und ich habe sogar einen Lebensgefährten.
Sie werden ihn schon noch kennenlernen, falls er je beschließt, aus der
Männerwelt rüberzukommen.«
    »Männerwelt?«
    »Die Scheune. Dort verkriecht er sich,
wenn er nachdenken will, über... keine Ahnung, worüber. Sitzt am elektrischen
Heizofen und schnitzt

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