Am Ende der Nacht
wieder auf, ohne
irgendwem zu erklären, wo er gewesen war. Wenn man fragte, erntete man nur ein
kryptisches Lächeln.«
»Wie lange und wie oft verschwand er?«
»Für ein, zwei Wochen, vielleicht alle
zwei Monate. Später muß das dann wohl noch öfter vorgekommen sein, wenn auch
für kürzere Zeit. So einen Drogen- und Waffenschmugglerring zu leiten, ist
sicher ganz schön stressig. Na, jedenfalls, wenn er zurückkam, war er immer
vergleichsweise entspannt — für Dunes Verhältnisse, heißt das.«
»Er verschwand immer allein?«
»Ja. Sprang in seine Silver Whisper,
einen von diesen kleinen Stirling-Jets, und weg war er.«
»Okay, Sie sagen, er wirkte für seine
Verhältnisse entspannt. Darf ich daraus schließen, daß er sonst ziemlich unter
Strom stand?«
»Allerdings.«
»Kokain?«
»Na ja, man sah ihn schon mal auf einer
Party ein paar Lines wegziehen, aber ich bezweifle sehr, daß er der Kokser war,
als den ihn Teile der Presse hingestellt haben. Duncans Ding war
Selbstkontrolle — in rigider Form — , aber es brauchte nicht viel, um sie zu
erschüttern. Die kleinste Kleinigkeit ließ ihn hochgehen, und dann schrie er
herum.«
»Paranoid?«
»Und ob.«
Ich sah die Fotos aus meiner Akte vor
mir: hohe Stirn, Patrizierzüge und jene Sorte dunkle Augen, die seelenlos sein
oder auch blitzende Splitter fragmentierter, heftiger Emotionen enthalten
mochten — die schlechte Qualität der Bilder ließ darüber keine Aussage zu.
Ich fragte: »Was fällt Ihnen sonst noch
zu ihm ein?«
Fowler dachte nach und fuhr sich mit
der Zungenspitze über die Lippen. »Er liebte Waffen, trug immer eine mit sich
herum. Einmal habe ich ihn auf einer Party ein Loch in die Decke schießen
sehen. Er benutzte Frauen für sexuelle Zwecke, konnte sie aber nicht besonders
leiden, hatte vielleicht sogar Angst vor ihnen. Für mein Gefühl wäre er genauso
gut ohne sie ausgekommen, aber er fühlte sich wohl verpflichtet, seine Potenz
unter Beweis zu stellen. Er nahm immer gern den kürzesten und leichtesten Weg —
weshalb er es dann wohl auch auf die kriminelle Tour versucht hat, statt sich
zu bemühen, die Firma weiter auszubauen. Er romantisierte sich selbst, sah sich
als Abenteurer, Draufgänger, Rebell.«
»Sie scheinen ja ein ziemlich
detailliertes Bild von ihm zu haben.«
Fowlers Mund bekam etwas
Schmerzverzerrtes. »Das sollte ich wohl auch haben: Die Frau, die er ermorden
ließ, weil sie zuviel wußte — Cindy Kershner — , war meine beste Freundin. Und
glauben Sie nichts von dem, was die Presse über ihre angeblichen
Erpressungsversuche schrieb: Cindy hatte keine Ahnung, was bei Stirling
Aviation lief. Sie liebte Dune, das arme naive Ding, und sie wollte
Verbindlichkeit — das war ihr Verbrechen.«
»Tut mir leid.« Ich trank von meinem
inzwischen lauwarmen Kaffee und überprüfte mein Aufnahmegerät, um ihr Zeit zu
geben, sich wieder in den Griff zu kriegen. »Und Winthrop Reade? Er war doch
Testpilot bei Stirling. Jetzt ist er Direktor.«
Etwas flackerte in Fowlers Augen auf —
ein Emotionsfunke, der rasch erstarb. »Ja, er hat die Firma saniert, sie wieder
ganz nach oben gebracht. Und jetzt haben ihn Stirling und seine politischen
Gesinnungsfreunde auserkoren, um ihn als Kandidaten für den Senat aufzubauen.
Reade hat Charisma, er ist intelligent und gerissen. Wenn er gewählt wird, wird
er Dinge durchdrücken. Ich teile seine politischen Ansichten nicht unbedingt,
aber ich gebe zu, daß Win es in Washington weit bringen kann — vielleicht sogar
ganz nach oben.«
Jetzt runzelte Fowler die Stirn, als
sorge sie sich, welche Art von Gesetzen Reade wohl durchdrücken würde. Nun ja,
die politischen Ambitionen dieses Mannes gingen mich nichts an; was mich
interessierte, war die Art seines Verhältnisses zu den Stirlings. »Was
qualifizierte ihn für einen Direktorenposten? Ich meine, ein Pilotenschein ist
doch kein Betriebswirtschaftsdiplom.«
»Er ist bei einem Meister in die Lehre
gegangen: In den Jahren, als Dune die Firma zugrunde gerichtet hat, war Win der
persönliche Assistent des Alten und sein Verbindungsmann zu dem sogenannten
Management im Werk.«
»Reade hat also ein Doppelspiel
betrieben?«
»...Er hat ausgesagt, er hätte nicht
gewußt, was vor sich ging. Das war so: Dune kannte Win schon sein Leben lang,
die beiden sind praktisch wie Brüder aufgewachsen. Dune wußte also, wie helle
Win war und wie loyal dem Alten gegenüber. Dune richtete es so ein, daß Win nur
mit ihm persönlich in
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