Am Ende der Nacht
höchstens zwei. Ich erfragte bei der Auskunft Iona
Fowlers Nummer und rief an. Sie schien ganz erpicht darauf, mit mir zu reden,
und gab mir mit einem leichten Akzent eine Wegbeschreibung, in der diverse
größere und kleinere Landstraßen und schließlich sieben Meilen ungeteerten
Feldwegs vorkamen. Ich erklärte ihr, ich sei schon unterwegs.
Der Freeway nach Norden führte mich
durch Aida, wo die Stirling-Werke lagen. Aus derselben Art Impuls heraus, die
mich auch den Good-Buy-Markt in Florida hatte aufsuchen lassen, nahm ich die
Ausfahrt und folgte der parallel zum Freeway verlaufenden Straße, bis ich das
Werksgelände fand: ein großes Flugfeld und zahlreiche nicht näher
identifizierbare Gebäude und Hangars, die sich über ein Riesenareal verteilten.
Das gesamte Gelände war von einem stacheldrahtgekrönten Maschengitterzaun
umgeben, und ein frühes Stirling-Modell, die einmotorige Silver Explorer, stand
auf einem Betonpodest in der Nähe des Einfahrtstors. Ich studierte die Anlage
einige Minuten, fuhr dann weiter und dachte über das nach, was dort vor über
zehn Jahren geschehen war.
Stirling Aviation war zu Beginn der
fünfziger Jahre von dem Ex-Marineflieger David Stirling gegründet worden. Als
die Firma vom Bau einmotoriger Flugzeuge zur Herstellung von mehrmotorigen Maschinen
und Jets übergegangen war, war sie eins der potentesten Unternehmen innerhalb
der aufstrebenden Flugzeug- und Raumfahrtindustrie von Arkansas geworden. Doch
in den frühen achtziger Jahren hatte Sterling — ironischerweise bei einem
Autounfall auf der Fahrt zum Flugplatz — eine schwere Behinderung
davongetragen. Außerstande, seinen Aufgaben als Firmenchef weiter nachzukommen,
hatte er das Werk seinem einzigen Nachkommen, dem sechsundzwanzigjährigen
Duncan, übergeben. Duncan Stirling erschien in den Zeitungsartikeln, die ich
gelesen hatte, wahlweise als kriminelles Genie oder als reicher Jüngling mit
einem gefährlichen Hobby, als geschickter Manipulator oder als naives Werkzeug
seiner Mittäter, als ein Mann, der sich und seine Umgebung im Griff hatte, oder
als Kokser, den seine Sucht im Griff hatte, als geselliger Mensch, der
ausschweifende Partys gab, oder als Einzelgänger, der oft wochenlang
verschwand. Alle waren sich darin einig, daß ihn Waffen, Kokain und das
schnelle Leben mehr faszinierten als Flugzeuge. Und als ihm die
uneingeschränkte Herrschaft über die Firma seines Vaters zufiel, erlag er
dieser Faszination endgültig.
Binnen weniger Monate formierte Dune,
wie er unter Freunden hieß, einen Kader von geldgierigen und skrupellosen
Piloten, die gegen gute Bezahlung geheime Missionen für ihn flogen. Einige
rekrutierte er unter den Testpiloten des Werks, andere über jenes
Beziehungsgeflecht, das jedes Geschäft, ob legal oder illegal, hervortreibt.
Die Stirling-Werke wurden zum Hauptquartier einer Flugzeugflotte, die Waffen
exportierte und Drogen importierte. Beschäftigte, die ein Risiko für dieses
Unternehmen darstellten, wurden entlassen, und die Umwandlung des Flugzeugwerks
in einen zwielichtigen Millionenkonzern begann.
Irgendwann begann sich schließlich die
Staatspolizei von Arkansas für die seltsamen Aktivitäten auf dem Werksflugfeld
zu interessieren. Flugzeuge, die nachts ohne Landescheinwerfer landen, sind im
Grunde noch nicht besonders ungewöhnlich. Viele Piloten, darunter auch ich,
finden, daß Landescheinwerfer die Wahrnehmung verzerren, weil einem die
Rollbahn schneller entgegenzukommen scheint. Doch die Tatsache, daß auf dem
Stirling Field nach Einbruch der Dunkelheit Maschinen ohne Landescheinwerfer
und ohne Positionslichter eintrafen, erregte Verdacht, zumal diese Flugzeuge
auch nie auf den Radarschirmen des nahe gelegenen Flughafens von Fayetteville
auftauchten. Und dann war da noch der intensive Lastwagenverkehr auf dem
Flugfeld und der Umstand, daß Beschäftigte mitten in der Nacht in den Hangars
zugange waren.
Die Staatspolizei zog das FBI hinzu,
und es gab das übliche Kompetenzgerangel. Schließlich fuhr die Staatspolizei
fort, das Werksflugfeld zu beobachten und Hinweisen verbitterter
Ex-Stirling-Leute nachzugehen, während die Bundesermittler die Bankkonten und
Steuerunterlagen der Firma unter die Lupe nahmen und einen allmählichen
Rückgang der Produktion feststellten. Und Dune Stirling ging wie gewohnt seinen
Geschäften nach und ignorierte die Warnungen seiner Kumpane. Was immer er sonst
noch gewesen sein mochte — er war in jedem Fall überheblich und hielt sich
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