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Am Ende der Straße

Am Ende der Straße

Titel: Am Ende der Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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»Mir geht es nicht so gut.«
    Bevor ich sie aufhalten konnte, rannte sie zurück in die Zoohandlung und in den hinteren Teil des Gebäudes. Ich wollte schon hinter ihr herlaufen, doch dann setzte der Mann seine Erklärungen fort.

    »Ich habe mit sieben Zwergmäusen angefangen. Dann kamen sieben Hamster. Jetzt sieben weiße Mäuse. Nach den Echsen werde ich es mit Kätzchen versuchen. Allerdings muss ich, wie ich bereits sagte, mehr Helium aufspüren. Und größere Ballons. Mit diesen kleinen Dingern schaffe ich es niemals, ein Kätzchen in die Luft zu kriegen, ganz zu schweigen von einem Baby.«
    Russ verschluckte sich und hustete. »Ein Baby? Was für ein Baby?«
    »Na, natürlich ein menschliches Baby. Einen Säugling. Was dachten Sie denn, was ich meine? Wie bereits erwähnt, müssen wir herausfinden, wie die Dunkelheit auf verschiedene Lebewesen reagiert. Dazu können wir nicht ausschließlich Tiere benutzen. Zum Glück ist meine Nachbarin noch in der Stadt. Sie hat ein Neugeborenes, ein kleines Mädchen. Ein süßes Ding. Sie ist erst ein paar Wochen alt und sollte demnach leicht genug sein, um …«
    Russ hob sein Gewehr, drückte die Waffe in die Mulde zwischen Achselhöhle und Schulter und drückte ab. Der Schuss dröhnte laut. Meine Ohren rauschten. Der Mann stand noch einen Moment aufrecht da, dann fiel er seitlich auf das Pflaster. Sein Mund stand offen, der letzte Satz für immer unterbrochen. Er gab ein trockenes Röcheln von sich, und seine Zunge zuckte. Dann lag er still. In seiner Stirn war lediglich ein Loch von der Größe eines Zehncentstücks, doch als er zusammenbrach, fiel mir auf, dass der Großteil seines Hinterkopfs fehlte. Aus der Wunde floss Blut – weder sprudelnd noch spritzend wie im Film, sondern gleichmäßig, wie Wasser aus
einem Hahn. Winzige Fetzen und Splitter von Kopfhaut und Schädel lagen überall auf dem Bürgersteig verteilt.
    »Heilige Scheiße«, keuchte Cranston. »Oh, heilige verdammte Scheiße, Mann. Du hast ihn einfach erschossen. «
    Russ ließ das Gewehr sinken und nickte. »Ja, habe ich. Du hast ihn doch gehört, Cranston. Er war verrückt.«
    »Oh, klar war der verrückt, kein Zweifel. Aber trotzdem… du hast ihn erschossen.«
    »Wer weiß, wie vielen Leuten er etwas angetan hätte, wenn ich ihn nicht erschossen hätte. Zumindest diese Mutter mit ihrem Baby war in Gefahr. Oder willst du etwa behaupten, wir hätten das zulassen sollen?«
    »Das hätte doch auch eine Lüge sein können«, wandte Cranston ein. »Ich meine, wenn er verrückt war, wie können wir dann sicher wissen, dass sie überhaupt existieren? «
    »Vielleicht hast du Recht«, erwiderte Russ, »aber es gibt noch jede Menge andere Überlebende in Walden. Jede Menge Babys. Er hätte sich genauso gut eines von denen schnappen können.«
    Cranston und ich betrachteten den Leichnam. Aus dem Loch im Schädel floss immer noch Blut.
    »Ich weiß nicht«, flüsterte Cranston. »Ich weiß es einfach nicht, Mann.«
    Ich hatte keine Ahnung, ob er mit mir, mit Russ oder mit sich selbst sprach, also sagte ich nichts. Stattdessen starrte ich auf den toten Körper des Mannes und sah zu, wie sich das Blut auf dem Bürgersteig sammelte und dann in den Rinnstein lief, wobei es Dreck, Blätter und anderen
Schmutz vor sich herschob. Russ hatte Recht. Ich wusste, dass er Recht hatte. Und das war genau das Problem. Ich fühlte mich kein bisschen schlecht wegen dem, was passiert war. Keine Spur von Unbehagen darüber, dass er dem Irren das Hirn weggepustet hatte. Ich hätte irgendetwas fühlen müssen. Immerhin hatte ich gerade dabei zugesehen, wie Russ einen Menschen ermordete. Doch in diesem Moment machte ich mir eher Sorgen um Christy. Der tote Mann war nicht mehr als eine unschöne Kuriosität. Ich fragte mich, ob die Dunkelheit dafür sorgte, dass ich so empfand, oder ob ich mich einfach langsam an die veränderten Umstände anpasste.
    »Verdammt nochmal«, sagte Cranston schließlich, »wir sollten besser reingehen, bevor noch jemand kommt.«
    »Wer soll schon kommen?« Russ ließ die Hand in einer allumfassenden Geste herumfahren. »Es gibt weder Recht noch Gesetz, Cranston. Das sind jetzt wir. Wir sind alles, was noch übrig ist. Oder meinst du, die Leute, die hier durch die Straßen ziehen, werden seinen Tod rächen? Dieses Arschloch ist denen doch scheißegal. Nur eine Leiche mehr, die sie ausschlachten können.«
    Während ich dabei zusah, wie sich der Rinnstein rot färbte, fragte ich mich, wo das Blut wohl

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