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Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)

Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)

Titel: Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ludwig
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wieder bei Miller sind. «Ich liebe dich», murmelt sie, bevor sie einschläft.

6.
    H ier.» Die Glatze legt Martha einen Zettel auf den Frühstückstisch. «Ich denke mal, das ist dein Kleid. Ich erwarte kein Päckchen.»
    Es ist eine Zustellbenachrichtigung von der Post.
    «Warum hast du es denn nicht abgeholt?», fragt Martha.
    «Ich bin gestern um halb zwölf nach Hause gekommen», erwidert Johannes und schmiert sich hastig ein Brot. «Hätte ich um die Zeit bei der Dernburg klingeln sollen?»
    «Da hat die schon geschlafen», mischt sich Poppy ein und schiebt einen Löffel Cornflakematsch in den Mund. Martha staunt immer wieder, wie es der Kleinen gelingt, gleichzeitig am Daumen zu nuckeln und zu essen.
    Martha springt auf. «Dann geh ich jetzt gleich mal hoch.»
    Ihre Mutter drückt sie zurück auf den Stuhl. «Es ist kurz nach sieben.»
    «Da schläft die noch!», kommt prompt Poppys Kommentar.
    «Du hast völlig recht, Penelope.» Johannes lächelt seine Tochter an. Bestimmt platzt er vor Stolz darüber, dass sie
schon
und
noch
auseinanderhalten kann.
    «Wann habt ihr denn die nächste Probe?», fragt Constanze.
    «Mittwoch.»
    «Heute ist doch erst Freitag, Martha. So eilig ist es also nicht.»
    «Aber ich weiß ja gar nicht, ob es passt, vielleicht müssen wir es enger machen lassen oder kürzer oder –»
    «Das kann ich dann ja machen.»
    «Du?» Martha starrt ihre Mutter an.
    «Ja, ich. Ob du es glaubst oder nicht, ich kann nähen.»
    Johannes beugt sich über Poppy, zieht ihr liebevoll den Daumen aus dem Mund und gibt ihr einen Kuss. Dann drückt er ihr den Daumen wieder rein wie einen Korken in eine Flasche. «Bis heute Abend, Schätzchen, sei schön lieb.»
    Poppy schüttelt grinsend den Kopf und lässt den Löffel in die Breischüssel fallen, dass es spritzt.
    Johannes beachtet es nicht, er hebt Constanzes Kinn leicht an und küsst sie ebenfalls.
    Martha könnte kotzen.
     
    Als Martha am Nachmittag aus der Schule kommt, stellt sie ihren Rucksack vor ihrer Wohnungstür ab und geht eine Treppe höher. Auf einem protzigen Messingschild steht in kantigen Buchstaben:
Dr. A. Dernburg
und darunter
Psychologische Psychotherapeutin
.
    Martha klingelt. Nichts. Sie klingelt noch einmal und noch einmal. Legt das Ohr an die Tür.
    Nachdem sie eingesehen hat, dass keiner da ist, geht sie langsam die Treppe hinunter. Den ganzen Nachmittag über ertappt sie sich dabei, wie sie immer wieder auf Geräusche von oben lauscht. Fast sehnt sie sich nach dem Dröhnen der Heimorgel, doch alles bleibt ruhig.
    Als sie endlich Schritte im Treppenhaus hört, reißt sie die Tür auf.
    Doch es ist nur Poppy, die vor Constanze die Treppe hoch- und auf Martha zustürzt.
    «Hast du das Kleid? Ich will’s angucken!»
    Martha sieht an Poppy vorbei. «Niemand da», sagt sie zu ihrer Mutter, die mit Einkaufstüten beladen auf dem unteren Treppenabsatz stehen bleibt.
    «Hilfst du mir bitte?»
    Martha geht ihr entgegen und nimmt ihr eine Tüte ab.
    «Versuch’s heute Abend noch mal», sagt ihre Mutter. «Irgendwann wird sie ja aus der Praxis nach Hause kommen.»
     
    Aber Frau Dernburg kommt nicht. Martha versucht es um sechs, um acht und kurz nach neun. Sie läuft auf die Straße, um zu sehen, ob im vierten Stock Licht brennt. Alles dunkel.
    «Vielleicht ist sie übers Wochenende weggefahren», sagt Constanze, als Martha wieder mit leeren Händen erscheint. «Soll vorkommen.»
    «Soweit ich weiß, veranstaltet sie am Wochenende Urschrei-Seminare irgendwo in der brandenburgischen Pampa, da erschreckt sie wenigstens nur die Kühe», bemerkt Johannes, der gerade aus Poppys Zimmer kommt.
    «Gibst du mir mal ein neues Laken?», sagt er zu Constanze. Die zieht die Augenbrauen hoch. «Schon wieder?»
    Er zuckt mit den Schultern.
    Nicht nur dass die Nervensäge Tag und Nacht den Daumen im Mund hat, sie pinkelt auch noch ins Bett.
    «Warum ziehst du ihr zum Schlafen keine Windel an?», fragt Martha. «Ist doch besser, als immer wieder das Bett frisch zu beziehen.»
    «Dann lernt sie es ja nie», sagt Johannes und nimmt das Laken entgegen, das Marthas Mutter ihm hinhält.
    Martha verschwindet in ihrem Zimmer. Sie ist wütend. Womöglich kommt die Dernburg erst Sonntagabend zurück. Okay, sie hat dann immer noch drei Tage. Aber was macht sie, wenn das Kleid zu eng ist? Da können dann auch die Nähkünste ihrer Mutter nichts retten. Unwillkürlich zieht Martha den Bauch ein. Am besten, sie isst am Wochenende nichts. Aber hält sie das durch?

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