Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
mit einem Kissen ausstopfen solltest.»
«Das ist doch nun wirklich nicht nötig», sagt Simon und lacht fies.
Miller achtet nicht auf ihn. «Nein, das lassen wir lieber. Ich glaube, es reicht, wenn du dich wie eine Frau bewegst, die kurz vor der Entbindung steht.»
«Ich war noch nie schwanger», sagt Martha gekränkt.
Endlich schaut Miller ihr in die Augen. «Natürlich nicht», sagt er lächelnd. Dann macht er es ihr vor. «Du musst die Hände in die Seite stemmen. Und den Schwerpunkt nach hinten verlagern, siehst du?»
«Woher wissen Sie das so genau?», fragt Jill keck. «Haben Sie Kinder?»
Miller macht eine abwehrende Handbewegung. «Kinder? O Gott, nein. Aber ich interessiere mich für Menschen, bin ein aufmerksamer Beobachter.»
Er mag also keine Kinder, denkt Martha. Aber wofür ist das ein Indiz? Jedenfalls nicht dafür, dass er am Ende doch schwul ist. Die meisten Männer mögen keine Kinder, nur solche Weicheier wie die Glatze.
Martha macht ein paar Schritte, wobei sie so weit wie möglich den Bauch rausstreckt, aber Miller ist nicht zufrieden. Er kommt zu ihr und legt ihr die Hand in den Rücken. «Du musst dich weiter nach hinten neigen, so … Aber nicht gleich zu Beginn, erst im letzten Akt.»
Martha nickt.
«Gut, dann machen wir jetzt einen kompletten Durchlauf», sagt Miller. «Das ist heute unsere letzte richtige Probe.»
«Wir haben doch noch nächsten Mittwoch», sagt Nora.
«Mittwoch ist Generalprobe, da darf dann nichts mehr schiefgehen. Heute können wir noch an der einen oder anderen Textstelle arbeiten.» Miller klatscht in die Hände. «Alle gehen auf Position! Was ist mit dem Licht?»
Tobias, die Kopfhörer auf dem Kopf, schiebt einen Regler hoch und hält den Daumen nach oben.
Schwermütige Bluesmusik ertönt vom Band, die Bühne wird in bläuliches Licht getaucht, aus dem Dunkel taucht wie eine weiße Fee Blanche mit einem Koffer in der Hand auf und sieht sich suchend um.
«What number you’re looking for?», fragt Nora als Eunice.
«I’m looking for my sister, Stella DuBois, I mean – Mrs. Stanley Kowalski. This – can this be – her home?», fragt Blanche entsetzt angesichts des schäbigen Hauses.
Der Anfang läuft schon mal gut.
Als Martha in der Rolle der Stella zu ihrer Schwester Blanche sagt: «You never did give me a chance to say much, Blanche. So I just got in the habit of being quiet around you», muss sie insgeheim grinsen. Das passt! Auch ihr lässt Jill wenig Gelegenheit, etwas zu sagen. Doch sie muss zugeben: Jill ist als Blanche einfach phantastisch. Wie sie diese verblühte und leicht hysterische Frau verkörpert, die sich immer mehr in ihre Wahnvorstellungen flüchtet, bis sie zum Schluss in die Irrenanstalt kommt, das ist einfach großartig.
Auch Simon und Nora machen ihre Sache nicht schlecht. Nur Florian ist immer noch unsicher, stottert und sucht nach Worten, aber das könnte fast als Absicht durchgehen, denn in seiner Unbeholfenheit ähnelt er der Figur des Mitch, der beinah Blanche zum Opfer fällt.
Es ist bereits nach sieben, als sie endlich durch sind.
Miller sieht erschöpft, aber auch zufrieden aus. Er streicht sich die Haare aus der Stirn. «Das wird gut. Das wird richtig gut. Simon, du müsstest dir noch einmal deinen Part in der zehnten Szene anschauen, kurz bevor es zu der Vergewaltigung kommt. Da musst du noch zynischer werden. Blanche versucht dir die ganze Zeit etwas vorzumachen, du weißt natürlich längst, dass alles erstunken und erlogen ist, und hältst sie hin. Spielst mit ihr wie die Katze mit der Maus, bis sie schließlich zubeißt.»
Simon dreht sich zu Jill um. «Das können wir ja noch mal üben.»
«Üben, wie du mich beißt?», fragt Jill provozierend. «Nein, danke. Mir hat das letzte Mal gereicht.» Simon läuft an wie eine Tomate.
Miller schaut auf die Uhr. «Beeilt euch bitte mit dem Umziehen. Eigentlich hätten wir längst draußen sein müssen, Herr Woitke kriegt einen Anfall.»
Der Hausmeister steht mit finsterem Gesicht an der Tür der Aula, als Martha mit den anderen den Gang herunterkommt. «Ihr habt den Raum mittwochs nur bis sechs Uhr.»
«Ach, Herr Woitke, nun seien Sie doch nicht so streng», gurrt Jill. «Sie bekommen für die Premiere auch einen Platz in der ersten Reihe, versprochen!»
«Na ja, ich will mal nich so sein, aber mein Dienst geht auch nich ewig.» Vor sich hin brummelnd, schließt er die Tür hinter ihnen ab.
Jill hakt sich bei Martha unter und spricht die ganze Zeit nur von
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