Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
zusammen, und da ist es selbstverständlich, dass jeder seinen Beitrag leistet und –»
«Ach ja, und Poppy leistet ihren Beitrag, indem sie in die Badewanne pinkelt, oder was?», sagt Martha wütend.
Ihre Mutter seufzt. «Das Essen hat dir doch geschmeckt, oder?»
«Was hat das jetzt damit zu tun?»
«Johannes steht jeden Abend am Herd und kocht für uns, das musst du doch auch mal anerkennen. Mit meinen Kochkünsten ist es ja nicht so weit her.» Constanze grinst schief.
«Das macht er doch, weil’s ihm Spaß macht!», ruft Martha. «Mir machen die dreckigen Unterhosen seiner Tochter aber keinen Spaß!»
Sie wirft den Schlüpfer auf den Boden und geht in ihr Zimmer.
Martha weiß, dass sie ungerecht ist, aber sie kann dieses
Wir sind doch eine Familie!
einfach nicht mehr ertragen. Ihre Familie waren ihr Vater und ihre Mutter. Ihr Vater ist tot, jetzt besteht Marthas Familie nur noch aus ihrer Mutter, aber nicht aus diesem Johannes und seiner obergrässlichen Tochter. Wütend tritt Martha gegen ihr Bett und schreit auf. Aber der Schmerz tut gut. Wie hat ihr Vater immer gesagt: «Ein Schmerz kann einen anderen überdecken.»
Warum ist er nicht da? Ihn könnte sie um Rat fragen, er wüsste genau, was sie jetzt tun soll. Würde sich alles in Ruhe anhören, ohne dabei gleich aufzuschreien wie ihre Mutter: «Martha, wie konntest du nur? … Warum bist du nicht? … Was hast du dir bloß dabei gedacht?»
Aber ihr Vater ist tot, er kann ihr nicht helfen. Bleibt nur Jill.
Martha greift zum Handy. Jill klingt etwas genervt, als sie sich meldet, ist dann aber ganz Ohr, als Martha anfängt zu erzählen. Kein Wunder, sie liebt solche Geschichten.
«Das muss ich doch der Polizei sagen, oder?», fragt Martha schließlich.
«Wenn du Lust darauf hast, tausend Stunden im Altersheim Nachttöpfe zu schrubben, auf jeden Fall», erwidert Jill trocken.
«Wieso das denn?»
«Du bist 16 , und mit 16 ist man strafmündig. Natürlich kommst du nicht in den Knast, aber es kann sein, dass sie dich zu gemeinnütziger Arbeit verdonnern.»
«Aber ich hab doch gar nichts gemacht! Ich hab mir doch bloß geholt, was mir gehört», sagt Martha – und fügt in Gedanken hinzu: Und das war übrigens deine Idee!
«Was du gemacht hast, nennt man Hausfriedensbruch, meine Liebe. Googel das mal. Außerdem, wie willst du denn beweisen, dass du dir wirklich nur dein Päckchen geholt hast? Vielleicht lag da ja wertvoller Schmuck rum, den du geklaut hast. Das Gegenteil kann ja keiner bezeugen, jetzt, wo die Alte tot ist.»
«Aber wenn ich nichts sage, läuft ein Mörder frei rum.»
«Sehr richtig», sagt Jill, und nach einer effektvollen Pause flüstert sie: «Ich bin sicher, dass der eine ganze Menge dafür tun würde, damit man ihn nicht erwischt.»
«Was meinst du damit?»
«Na, du könntest dir doch dein Wissen vergolden lassen», sagt Jill bedächtig.
Martha hasst es, wenn Jill so spricht, so erwachsen und überlegen.
«Wie bitte soll ich jemanden erpressen, den ich überhaupt nicht kenne? Ich hab ja noch nicht mal seine Stimme richtig gehört.»
«Das nicht, aber du hast gehört, was die Dernburg gesagt hat. ‹Ich gebe Ihnen fünf Minuten, mehr nicht.› Das war’s doch, oder?»
Martha nickt, aber das kann Jill nicht sehen. «Ja, genau das hat sie gesagt.»
«Na also, und außer dir hat das nur ihr Mörder gehört, und dieses Wissen kannst du zu viel Geld machen. Wenn du es geschickt anstellst.»
Wenn ich Geld hätte, denkt Martha, dann könnte ich mit Mama in eine eigene Wohnung ziehen, dann …
«Aber wie soll das gehen?»
«Ich lass mir was einfallen, Martha-Maus, aber du musst mir versprechen, dass du niemandem was erzählst. Niemandem, hörst du? Das muss unter uns bleiben!»
Marthas Zimmertür wird aufgerissen. Martha klappt erschrocken das Handy zu. «Kannst du nicht anklopfen?»
«Entschuldige bitte», sagt ihre Mutter, aber sie sagt es so, dass es nicht nach einer Entschuldigung klingt, eher nach einem Vorwurf. «Ich mache gerade eine Maschine fertig. Hast du was für dunkle 40 Grad?»
Martha zeigt auf die Jeans, die auf dem Boden liegt.
Ihre Mutter hebt sie hoch und greift in die Taschen. Sie zieht ein zerknülltes Tempo heraus, eingetrocknete Kaugummistreifen, einen alten Fahrschein.
«Wem gehört der denn?», fragt sie und hält den Schlüssel von Frau Dernburg hoch.
Martha starrt ihre Mutter an. An den verdammten Schlüssel hatte sie überhaupt nicht mehr gedacht!
Sie reißt ihn ihrer Mutter aus der
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