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Am Ende der Wildnis

Am Ende der Wildnis

Titel: Am Ende der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Vaillant
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Baumes – wartet das Geld. Eine erstaunliche Vielfalt an Dingen lässt sich daraus herstellen – Derbes wie Holzkohle und Bauholz, aber auch Verfeinertes wie Rayon und Zellophan. Wenn man jedoch die Eleganz, die Ökonomie und die Komplexität, die gemeinsam wirken, um einen Baum zu bilden, vergleicht mit unseren diversen Anstalten, ihn auszubeuten, sehen wir wohl eher aus wie eine Horde Höhlenmenschen, die mit Stöcken klappern.
    Die Fotosynthese ist eine wahre Alchemie der Natur; sie ist es, die es einer Pflanze ermöglicht, sich im wahrsten Sinne des Wortes aus Luft, Wasser und Licht zu formen – aus »nichts«. Das ist in jeder Hinsicht eine staunenswerte Leistung, aber es ringt auch großen Respekt ab, wenn man sich die schiere Masse an Werkstoff vergegenwärtigt, die erzeugt werden muss, um einen Sequoia, einen Redwood oder eine Sikta-Fichte »aufzubauen«. Im Fall der goldenen Fichte jedoch war die Fähigkeit, das zu bewerkstelligen, erheblich beeinträchtigt, denn alle ihre Nadeln, die dem Sonnenlicht ausgesetzt waren, verloren erheblich an Chlorophyll. Im Hinblick auf ihre Befähigung, Energie umzuwandeln, ließe sich die Beeinträchtigung der goldenen Fichte mit derjenigen eines Menschen vergleichen, dessen Lunge nur mit einem Drittel ihrer normalen Kapazität arbeitet. Aus diesem Grund vermag niemand so recht zu sagen, warum die goldene Fichte in der Lage gewesen war, sich dreihundert Jahre lang gegenüber gesunden Bäumen zu behaupten, oder wieso sie über fünfzig Meter hoch werden konnte.
    Ein Baum, der eine derart ausgeprägte Gelbfärbung aufweist, wird chlorotisch genannt, und obwohl es nicht un gewöhnlich ist, einen chlorotischen Ast, oder sport , an einem ansonsten gesunden Exemplar zu entdecken, ist es in demselben Sinne, wie Hummeln nach den Gesetzen der Aerodynamik theoretisch nicht fliegen könnten, auch nicht möglich, dass ein ganzer Baum chlorotisch wird und dennoch überlebt. Die Chlorose hat direkt mit Gesundheit und Wohlbefinden der Carotinoide zu tun – Kohlenwasserstoffketten, die die roten, gelben und orange-farbenen Pigmente bilden, die in allen an der Fotosynthese beteiligten Zellen zu finden sind. So wenig geläufig ihr Name sein mag, können die meisten Menschen sie jedoch auf den ersten Blick erkennen: Es sind nämlich die Carotinoide (aus derselben Wortwurzel wie »Karotte«), die für die leuchtenden Herbstfarben bei Laub abwerfenden Bäumen verantwortlich sind. Diese Pigmente sind das ganze Jahr lang vorhanden, werden aber erst sichtbar, sobald die Blätter im Winter absterben, weil sie langsamer aufgespalten werden als die grünen Chlorophylle, die normalerweise die Farbe eines Blatts bestimmen. Bei Koniferen spielen sie jedoch eine bescheidenere Nebenrolle, und unter normalen Umständen stellt diese Ordnung von Baumspezies ihre Caroti noide nur selten auffallend zur Schau – daher ihr Beiname »Immergrün«. Zu Ausnahmen dieser Regel kommt es meistens im Fall des Todes oder von Krankheiten.
    Chlorose kann diverse Ursachen haben, darunter unfruchtbaren Boden, Ungezieferplagen, Ringelung (die im Normalfall für den Baum tödliche Entfernung eines Streifens Rinde rund um den Stamm) und zu viel oder zu wenig Sonne und / oder Wasser. Aber die goldene Fichte war kei nem dieser Probleme ausgesetzt. Nicht nur war sie groß und alt, was bei Sitka-Fichten »erfolgreich« bedeutet, sie wuchs zudem unter idealen Bedingungen in einem für Fichten erstklassigen Habitat. Alle Bäume in ihrer Umgebung waren gesund. Da äußere Gründe für eine Chlorose nicht gegeben waren, weist alles darauf hin, dass dieser Zustand seinen Ursprung im Baum selbst hatte. Die Symptomatik der goldenen Fichte deutete nicht auf einen Krankheitszu stand hin, wahrscheinlich hatte sie einen innewohnenden Defekt, der die Carotinoide in Mitleidenschaft zog. Eine der diversen Funktionen der Carotinoide besteht darin, ultra violettes Licht abzublocken, und in dieser Eigenschaft wirken sie sozusagen als natürliches Sonnenschutzmittel – vergleichbar einer örtlich eingegrenzten Ozonschicht –, um das UV-empfindlichere Chlorophyll zu schützen. In einer Pflanze, in der die Carotinoide die UV-Strahlen nicht blockieren, wie sie sollten, wird sich das Chlorophyll aufspalten, und die Pflanze wird absterben. Solange ein solcher Baum Schatten bekommt, werden seine schadhaften Carotinoide nicht auf die Probe gestellt, sind sie aber direktem Sonnenlicht ausgesetzt, zeigt sich der Defekt. Mit der Zustandsverschlechterung

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