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Am Ende der Wildnis

Am Ende der Wildnis

Titel: Am Ende der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Vaillant
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Anlage manchmal so sehr strapaziert wurde, dass Rollen und Seile rot glühten und den umliegenden Wald in Brand setzten.
    Da der donkey puncher (der Mann, der den Donkey bediente) schon mal einen Kilometer oder mehr von den Choker-Männern entfernt sein konnte, deren Aufgabe es war, die zum Abtransport bereiten Stämme am Seil zu befestigen, benötigte man zur Verständigung in Richtung Tal einen Pfeifcode: Seil zurück; langsam weiter; stopp usw. Es gab sogar ein spezielles Todessignal: sieben lange Pfeiftöne. Der für die Weitergabe dieser Informationen verantwortliche Mann war der sogenannte whistlepunk , er stand auf einem Baumstumpf oder einer anderen erhöhten Stelle, die ihm einen guten Überblick verschaffte. Die Holzfäller und Choker-Männer, angesichts der riesigen Bäume, Berge und Maschinen wie eine Ansammlung von Eichhörnchen wirkend, verbrachten die häufig regnerischen Tage damit, belagert durch Schwärme von Mücken und Stechfliegen über gigantische Stämme, Felsen und die scharfen Spitzen abgebrochener Äste zu klettern, um verzweifelt die Quoten ihrer Kolonnenführer zu erfüllen oder zu übertreffen. Ihre Arbeitsumgebung schien speziell für das Brechen von Knochen und Lädieren von Leibern ausgelegt zu sein, und es verwundert nicht, dass sich die Männer regelmäßig verletzten oder gar tödlich verunglückten, oder dass sie häufig den Job schmissen oder dass sie drei T-Bone-Steaks, einen ganzen Teller Kartoffeln und eine Servierschüssel voll Eiscreme zu Abend essen konnten. Es war diese ebenso unberechenbare wie gefährliche Arbeitshölle, in die Grant Hadwins Onkel Angus noch im Jungenalter hinabstieg.

KAPITEL DREI
    Ein Holzsteg zum Mars
    Nächstes Jahr werden wir jenen grünen Streifen mit Verwüstung heimsuchen – die Sägen werden ihren maulenden Klagegesang jammern, die Esel werden die Leichen einsammeln, auf das Land wird eingeprügelt, bis nur Stümpfe und Wüste bleiben.
    Peter Trower, The Ridge Trees
    A ngus Monk ging mit dreizehn Jahren in die Wälder. Daswar in den 1920ern gar nicht so ungewöhnlich, weil Millionen Jungen, die durch den Ersten Weltkrieg ihre Väter verloren hatten, gezwungen waren, ihr Zuhause zu verlassen und den Weg hinaus in die Welt anzutreten. In jenen Tagen an der West Coast einen Jungen zu entdecken, der gerade erst zehn Jahre alt war und eine Schicht am Steuerrad eines Schleppers übernahm, während der Skipper schlief, oder einen, der in einem Einbaum zu einer Insel paddelte, die mehrere Kilometer von der Küste entfernt lag, war nichts Besonderes. Es war eine andere Zeit: Das Land war riesig, die Bevölkerungsdichte gering und die Arbeitslast enorm. Fähigkeiten – gleich in welchem Bereich – wurden in vollem Maße ausgebeutet. Die Familie Monk war von der winzigen schottischen Insel Benbecula in den Äuße ren Hebriden nach Kanada gekommen. Dieser unfruchtbare und windgepeitschte Archipel ist Europas Antwort auf die Queen Charlottes – ohne die Bäume. Das extrem harte Leben da draußen, stets der Gnade des Nordatlantiks ausgeliefert, erforderte eine zähe Konstitution und ein furchtloses Gemüt, charakterliche Anforderungen, die Angus un eingeschränkt erfüllte. Schon immer von extremen Grenzen fasziniert, sowohl physischen wie geografischen, gelangte er nach Vancouver Island, wo die Holzfällercamps seine Schule und Universität wurden. Obwohl noch kaum in der Pubertät, erwies sich Angus als begabter, wenn auch rastloser Schüler. Er ließ sich von Lager zu Lager treiben, eignete sich eine ganze Reihe von Fähigkeiten an und wurde schließlich als außergewöhnlich guter High Rigger einer der Männer, die eine gefährliche, aber auch sehr hoch bezahlte Arbeit im Wald leisteten.
    Wenn man ein altes Foto zu Gesicht bekommt, auf dem ein Mann mit einer Axt hoch oben in einem Baum thront, sieht man keinen Holzfäller, sondern einen der weitaus selteneren High Rigger. Wie die Stahlarbeiter, die Wolkenkratzer bauen, waren diese Männer ein eigener Menschenschlag: Sie richteten die Trägerbäume so her, dass sie die schweren Hauptkabel tragen konnten. Zu den Aufgaben eines Riggers gehörte es, die riesigen – ein Meter Durch messer und neunhundert Kilogramm Gewicht – Seil tragen den Flaschenzüge einzuhängen und die Abspannleinen zu befestigen, die den Trägerbaum von allen Seiten absicher ten, damit er nicht von den gewaltigen Lasten, die er tragen musste, niedergerissen wurde. Der Job verlangte eine nicht alltägliche Mischung aus

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