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Am Ende der Wildnis

Am Ende der Wildnis

Titel: Am Ende der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Vaillant
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bürsten, kein anderer Pelz ist so weich. Er kommt als einziger Meeressäuger ohne eine isolierende Fettschicht aus und bläst stattdessen kleine, die Wärme haltende Luftbläschen in sein Fell, um sich vor der Kälte des Nordpazifiks zu schützen. Seeotter gehen selten an Land, lieber schwimmen sie beim Essen, Schlafen, Entspannen und Kopulieren rücklings im Wasser. Oft transportieren sie in den Hautfalten unter ihren auf der Brust abgelegten Vorderbeinen flache Steine, um damit Schalentiere aufzubrechen (in Aquarien werden diese konfisziert, da die Otter sie mit Vorliebe gegen die Glaswände ihrer Becken schlagen). Seeotter sind sehr verspielt und anhänglich und können stundenlang mit einem anderen Otter »Händchen haltend« im Wasser treiben. Die Paarung dagegen ist ein freudloser Vorgang, zu dessen Vorbereitung das Männchen zunächst mit seinen Zähnen die Schnauze des Weibchens packt, um es sich dann auf den Bauch zu werfen und Bauch-an-Bauch festzuhalten. Angeblich waren die Otter sehr leichte Beute.
    Die Otterfellhändler führte ihre höchst einträgliche Reise, die sogenannte Golden Round, buchstäblich einmal um den Globus. Während einige Händler von Koloniestützpunkten wie Macao und Kalkutta an Bord gingen, stachen viele andere von ihren Heimathäfen im Nordatlantik aus in See. Von dort benötigten sie schon drei oder vier Monate bis zum Kap Hoorn, wo sie ein Spießrutenlauf erwartete: Nebel, Eisberge, orkanartige Stürme und riesige Wellen, immer entgegengesetzt zu ihrer Fahrtrichtung Pazifik. Da Rahsegler für das Segeln gegen den Wind nicht geeignet sind, konnte das Kreuzen zur Umrundung des Horns einen ganzen Monat dauern – eine einzige Qual, die von Schiff und Mannschaft hohen Tribut forderte. Einige Kapitäne gaben einfach auf und kehrten um, ein besonders pelzverrückter Händler jedoch bewältigte die Reise sogar in einem Schoner von zehn Metern Länge. War Kap Hoorn geschafft, musste kurz nach Verlassen des antarktischen Kreises erneut über dreizehntausend Kilometer Richtung Norden gekreuzt werden, bis schließlich die dicken Nebel, unbeständigen Winde und gnadenlosen Strömungen der Nordwestküste erreicht waren. Und erst dann begann nach sechs Monaten schwerer Seefahrt unter beengten Bedingungen, von Ungeziefer geplagt, ohne Erholungspause für die von der Reise erschöpften Seeleute die eigentliche Arbeit. Die überwältigende Feuchtigkeit der Küste verursachte häufig Atemleiden und ließ zu allem Überfluss Vorräte, Segel und Taue alarmierend schnell verrotten. Schlechte Sicht in Verbindung mit unberechenbarem Wind, Strudeln und bizarren tidenbedingten Auftrieben machten das Navigieren vor der Küste zu einem gefährlichen Abenteuer. In einigen Strömungskanälen reicht die Fließgeschwindigkeit der Tiden fast an die der Niagarafälle heran. Durch den rauen »Haltegrund« gingen Anker und Kette so regelmäßig verloren, dass einer der Kapitäne empfahl, für diese Küste immer mindestens fünffachen Ersatz an Bord zu haben. Das chronisch schlechte Wetter demoralisierte die Mannschaften immer mehr, und zum Ausdruck ihrer dortigen Erfahrungen sammelten sie einen ganzen Wortschatz düsterer Bezeichnungen an: »trostlos«, »unwirtlich«, »erbärmlich«, »grausam«, »barbarisch« und »das Wildeste vom Wilden« war nur der Anfang. Einige ihrer Erlebnisse an Bord klangen wie von Hieronymus Bosch heraufbeschworen: Von eiswürfelgroßen Hagelkörnern getroffen, fielen Vögel tot vom Himmel. Einer der Seeleute beschrieb die von ihm und seinen Kameraden durchlittene Seekrankheit als »zwischen den Zähnen rausscheißen«.
    Nach dem Erwerb einer Ladung Otterfelle machten sich die Schiffe oft auf den Weg nach Hawaii, um dort ihre Vorräte aufzufüllen, ins Bordell zu gehen und vielleicht eine Extraladung Sandelholz an Bord zu nehmen. Anschließend ging es quer über den Pazifik, europäischen wie auch asiatischen Piraten trotzend, nach Canton. (Die Russen hatten gegenüber den Europäern ein halbes Jahrhundert Vorsprung und verschickten ihre Felle auf dem Landweg, in erster Linie über Kiakhta, eine Stadt an der nördlichen Grenze Chinas.) Alle Gewinne aus dem Verkauf der Felle wurden sofort in chinesische Produkte wie Tee, Seide und Porzellan umgesetzt. Wieder voll beladen segelten die Nor’westmen in Richtung Indischer Ozean, um das Kap der Guten Hoffnung herum und dann über den Atlantik zurück in ihre Heimathäfen. Eine solche »Runde« dauerte bis zu zwei Jahre und umfasste eine

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