Am Ende der Wildnis
lassen die Berge wie riesige Tiere erscheinen, deren Fell ungleichmäßig geschoren wurde. Es war Grant in sei ner erfolgreichsten Inkarnation als Forsttechniker, der viele derjenigen Straßen konzipiert hatte, die den Holzfällern Zugang zum abgelegenen Wald um Gold Bridge ermöglichten. Wenn er also die Arbeit tat, die er liebte, half er gleichzeitig, die Schauplätze vieler seiner glücklichsten Erinnerungen dem Erdboden gleichzumachen. In gewisser Hinsicht war das eine Familientradition: Wie viele der älteren Familien der West Coast hatten auch die Monks und die Hadwins eine aktive Rolle bei der Erschließung des Landes gespielt. Hadwins Vater leitete den Bau der gewalti gen Stauanlage mit dem Wasserkraftwerk, das einen großen Teil von Vancouver mit Elektrizität versorgen sollte, und sein Großvater war nach Westen gekommen, um am Holzboom zu verdienen, siedelte sich in West Vancouver an und setzte sich schließlich als Eigentümer einer erfolgreichen Firma für Holzfällerbedarf zur Ruhe.
Es ist höchst eigentümlich, dass trotz des tief greifenden Einflusses der Holzindustrie auf unser Leben und unsere Kontinente nur wenige Menschen tatsächlich Zeuge eines Holzeinschlags geworden sind. Teilweise lässt sich die Unkenntnis auf die ablehnende Grundhaltung der Industrie gegenüber Zuschauern zurückführen, aber sie gründet in hohem Maße auch auf dem Mangel an Interesse, mit dem der durchschnittliche Konsument dem Ursprung und dem wahren Wert der Ressourcen begegnet, die wir als gegeben hinnehmen. Die meisten Menschen haben mit Holz nur in einem fertig bearbeiteten Zustand zu tun, und diejenigen, die in der Industrie arbeiten, neigen dazu, sich als Glied in der Kette zu sehen und sich nur um ihren Bereich zu kümmern. Würde man einen Holzfäller fragen, wohin sein Baum gebracht wird, oder einen Tischler, woher sein Nutzholz kommt, bestünde sehr wohl die Möglichkeit, dass keiner von beiden in der Lage wäre, die Frage zu beantworten, und wenn das Holz erst mal zu einem Stuhl geworden ist oder zu einem Papierhandtuch, weiß niemand mehr, woher es stammt. Im Laufe seiner Verarbeitung entwertet sich die Identität eines Baumes als lebender Teil des Planeten zu einer toten und einheitlichen Ware, die im Kubikmeter gekauft und wiederverkauft wird, bis zu einem verfeinerten Produkt, das per laufendem Meter veräußert wird, und schließlich wird daraus ein bewährtes und ver trautes Kennzeichen unserer häuslichen Landschaft, das weniger wegen seines Rohmaterials geschätzt wird als wegen seiner Zweckmäßigkeit oder seiner Machart. Inzwischen ist jede Verbindung zu einem Baum so fernliegend und abstrakt wie die zwischen einem Cheeseburger und einem Alberta-Ochsen.
Es gibt noch einen weiteren Grund dafür, warum wir so wenig mit diesem Prozess zu tun haben: weil er in den meisten Fällen auch sehr wenig mit uns zu tun hat. Holzfäller, die im alt gewachsenen Wald arbeiten, sind die frontiermen von heute und bringen Licht in die letzten dunklen Ecken des Landes. Wir sehen sie nicht, weil sie an Orte vorstoßen, an denen der Großteil der Bevölkerung keine vierundzwanzig Stunden überstehen würde. Das ist einer der Gründe, warum die Lebensweise eines woodman so großen Reiz auf Hadwin ausübte, aber es entstehen Probleme, wenn man genauer hinsieht. In der Holzindustrie wirken erleuchtende Wahrnehmungen schmerzlich. Zur Einschätzung von Erfolg bedarf es einer ganz speziellen und subjektiven Analyse: An welchem Punkt wird die braune Wolke über einer Industrie stadt zu einem »Problem«, statt das himmelhohe Symbol zu bleiben, das »gute Zeiten« verkündet? Wann verursacht das Verhältnis von Kahlschlägen und Weihnachtsbaumplantagen zu gesundem, intaktem Wald langsam ästhetisches und moralisches Unbehagen oder gar realen Umweltschaden? Wie misst man das in einem so großen Land wie British Columbia? Oder Nordamerika? Wie eine Menge von Menschen, die ethisch ambivalenten Berufen nachgehen, empfand auch Hadwin es als zunehmend schwieriger, mit seinem Erfolg zu leben. Er war der erste seiner Familie, der das Ende kommen sah, und im Laufe der Zeit wuchs seine Überzeugung, dass es ihm persönlich auferlegt war, die Unverhältnismäßigkeit auszugleichen.
Hadwins Kollege und Freund Paul Brenier beschrieb ihn als »einen besonnenen Holzfäller und einen überlegten Straßenbauer«, der es für richtig hielt, das Gute mit dem Schlechten hinzunehmen, das Beste mit dem Fehlerhaften – als es allgemein üblich war,
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